Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 20. Juli 1822, Sonnabend

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Baireuth den 20ten Juli 22.

Geliebte Odilie!

Ob du gleich einen lebendigen Brief, eine Schwester, beinahe eine Mutter, in der lieben Fanny erhaltst, so muß ich doch noch selbst an Dich schreiben. Möchte Alles was ich Dir schicke Dir recht sein. Ich kenne aber Deine Bedürfniße zu wenig, um sie ganz so zu erfüllen befriedigen als es vielleicht nothwendig ist aber ich hoffe, daß Du es mir freimütig sagst was Du weiter bedarfst. Fanny soll Dich examiniren wie es mit den Kleidern und Mänteln ist, wenn ich darin etwas thun soll – ich gebe Dir mit Freuden alles was Dir nothwendig ist, aber ich mag nichts Uberflüßiges thun. Sei ja recht offen.

Da man hier keine besonderen Theebretter hat so überlasse ich Dir die Wahl des Geschenks für Auguste – und einen 6 fl. nicht hinreichen will der gute Vater das Übrige nachzahlen. Fanny will Dir wählen und handeln helfen, sie ist so gut als klug. Ich beneide sie daß sie Dich ans Herz drücken soll – aber ich bin seelig wenn ich mir Deine Freude bei ihrem Wiedersehen denke. |2 Du erhältst wieder 1 lb Caffee und ½ Zucker. Da er feiner gemahlen ist als der vorige brauchst Du nicht eine so starke portion zu nehmen. Ich will aber daß Du ihn zu Deiner Ernährung, höchstens mit Deiner Stubennachbarin genießest, und nicht immer davon traktirst, sonst verfehlt meine Absicht ganz ihren Zweck. Mit 1 lb kannst Du über einen Monat auslangen wenn Du auch täglich welchen machst, Du brauchst jetzt von Diesem zu 3 oder 4 Tassen nicht nur etwas über halb des kleinen Becherchen voll zu nehmen, das Du hast. Starker Kaffee ist weder gesund noch angenehm. Ich habe mir seit unsere Kaffeemühlen reparirt sich auch viel abgebrochen, da ich merke daß der Kaffee immer noch recht stark wird.

Kürzlich war eine Familie Reinbeck aus Stuttgardt hier die dem Vater bei seinem Aufenthalt dort sehr viel Vergnügen gemacht haben. Sie hatten ein junges Mädchen "Hartmann" bei sich die von Dir so viel Gutes, durch |3 Vossens gehört hatte, sie logirten bei Herders und der Vater brachte den letzten Sontag Abend dort mit ihnen sehr froh, zu. Das junge Mädchen heißt Mariette.

Das Geld an Heine gib ihm oder der Auguste versiegelt, nebst vielen Empfehlungen mit dem Juli sind nun 4 Monat bezahlt – daß sie es nur merken. Wie gern wird dieses Geld gezahlt, da es so großen Lohn erkauft, Deine Gesundheit, und Dein gerader Wuchs. Ich habe Fanny gebeten Herrn Heine recht genau zu fragen, wie lange Du noch dort bleiben mußt. Jetzt kann er das schon wissen, aber ja keinen zu frühen Termin festzusetzen, denn ist einmal das ungeheure Opfer gebracht, so muss es auch vollendet werden. Heine muß nach der strengsten Gerechtigkeit selbst an den Vater schreiben, wenn Du länger als den October dort bleiben müßtest, und im Fall Du zurückesein dürftest ganz die |4 Art des Verhaltens vorschreiben das Du zu beobachten hast. Du weißt der Vater ist veränderlich – heute wachte er einmal streng aufüber Dich, daß Du nichts dem Körper schädliches thun und arbeiten dürftest. Ein andermal verlangte er Beschäftigungen von Dir die Dir schädlich sein könnten. Zu wie vielen Spannungen unter uns, könnte das Anlaß geben! Bedenke das wohl, als vernünftiges Wesen, und beeile aus Charaktergüte nicht Deine Zurückunft, ehe Du dazu reif bist. Ist es wahr, daß Du gesund und glüklich bist den harten körperlichen Zwang ausgenommen so kümmere Dich nicht, am wenigsten wegen des Geldes, denn was kann bei einer so bedeutenden Ausgabe, ein ¼ tel Jahr weniger oder mehr ausmachen! Es ist Gewinn beim Ausgeben in dieser Sache.

Nun meine Odilie! Lasse Dir alles recht wohl schmeken und behagen, was Du bekömmst, und schreibe es uns bald, und brauche anstatt des zu häufig vorkommenden Wortes „erschrecklich viel oder schön“ in Deinen Briefen lieber unendlich viel, sehr, außerordentlich. Man kann sich leicht gewisse Ausdrücke angewöhnen.

Lebe wohl, geliebtes theures Kind!

Deine treuste Mutter

Liebes Odilchen Du mußt ja zu Frau von Welden am andern Morgen gehen, und ihr für die Mühe des Mitbringens recht sehr danken.

Hebe ja die Schachteln alle sorgfältig auf. Schütte den Caffee behutsam aus der Blase , in deine Büchse.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 20. Juli 1822, Sonnabend . In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0716


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

Der Brief wurde zusammen mit Kaffee und Geld von Josephine von Welden mitgebracht, die offenbar ihre Tochter Fanny im orthopädischen Institut besucht hat.