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Zu den schönen Rückerinnerungen die im Alter uns die schönsten Stunden geben, gehört doch vorzüglich die Bekanntschaften mit Edlen die uns im Leben begegneten, mit denen mann einen seeligen Umgang genoßen. So dencke ich mir der Vergangenheit, wo ich Sie Geliebte Freundin, Ihren verehrten Mann kennen lernte und mich Ihres Umgangs erfreute. Ein großer Zeitraum für einen Sterblichen liegt dazwischen! bey mir sind große u. wesendliche Veränderungen [...] vorgefallen – doch bin ich an alles gewohnt, bin zufrieden |2 freue mich des Lebens, dancke Gott für die Tage die er mich froh erleben läßt. Nichts wünsche ich zurück; wie ein Wanderer, der nahe am Ziel seiner Reise ist, seinen geliebten Freund wieder zu sehen, ist mir es, in heitern Stunden, wenn ich meine 63 verlebte Jahre überblicke, sehne ich mich nach den hier verlohrenen – nach einen Stern der mir mehr Aufschlüße geben wird. bis dahin thue u. würcke ich noch so viel ich kann. Ich wünschte Euch 3 gute Freunde noch einmal hier zu sehen, Sie, der herrliche Richter, Emanuel! ist lezterer noch so gut wie sonst, nachdem er Vornehmer, wohl auch |3 reicher geworden? Ja er ist geblieben gewiß, grüßen Sie Ihren Mann, unbekannt Ihre Kinder Emanuel. Ich fragte lezthin die Schwendlern: ob sie mir was von Ihnen sagen könnte, sie wollte viel v. Ihnen wißen u. war gar nichts zu hören. Seit dem Todte meines Schwagers Ludwig komme ich nicht mehr so viel nach Meiningen, Louise ist wohl, lebt ihr eigenes Leben u. zeichnet in der Natur viel, reißt auch oft in der Absicht, sie will nicht heirathen, dazu hatte sie der Vatter schon gestimmt was ich an meinem alten Ludwig sehr tadelte, sie hat sich den Wasunger Stiftsorden geben laßen |4 um auf Reisen als lediges Fraunzimmer eine Firma zu haben, sie sollte einmal zu Ihnen reisen. In Coburg bin ich nach dem Todt meines Mannes fast alle Jahre gewesen, wie sehr wünschte ich, ich hätte weider zu Ihnen reisen mögen, so denke ich Ihrer oft u. viel. Meine Gesellschaft ist eine Vatter u. Mutterlose Wayse, die Tochter von Antonnette Wagner , die einst auch bey mir erzogen wurde, wo ihr schönes Bild bey mir hieng wenn Sie Sich noch erinern, sie ist 20 Jahr ein geistreiches Mädchen von vieler Bildung, die überaus glücklich bei mir sich fühlt. Wir leben einsam, doch oft mehr Besuch aus der Stadt als wir wünschen, gehen spatzieren lesen u. arbeiten, ich bin doch meisten wohl, gehen nach Coburg Esselten pp

so lange mir das Reisen so wohl behagt wie jezt noch, so fliehen die Tage dahin in Zufriedenheit. Ihre immer treue Heim

Zitierhinweis

Von Johanna Heim an Caroline Richter. Welkershausen, 12. Januar 1820, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0735


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.