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Leipzig d. 17. Nov.
1819.

Noch ehe mein Brief, liebe Freundin, bey Ihnen angekommen seyn wird, erfahre ich, daß das, wozu ich Ihnen Glück wünschte , nicht mehr in Ihrem Besitz ist und daß Sie den Schmerz erfahren haben, Ihren lieben Herrn Vater zu verlieren . Ich eile in dem nehmlichen Gefühl jener Theilnahme, Ihnen zu sagen, wie eben so herzlich, aber nun wehmütig, ich mich jetzt an Ihre Stelle setze und Ihren Kummer empfinde, mit gewiß recht aufrichtigen Bedauern: Gott helfe Ihnen denselben tragen |2 und bald und leicht in Ihrem Herzen, bey fortdauerndgeweiheten Andenken des theuern Verstorbenen, überstimmt werden, durch das Glück, von geliebten Mann und Kindern sich umgeben zu sehen, wodurch der Sehnsucht, nach dem Verlornen, reiche Fülle entgegenfließt, wenn gleich Ihr jetzt tief verwundetes kindliches Herz die traurigen Beziehungen am meisten fühlt. Es thut mir so leid, nur schriftlich mich Ihnen bey dieser ergreiffenden Gelegenheit nähern zu können, es tröstet mich aber, Sie von so viel nahen Lieben und Freundinnen, umgeben zu wißen die gewiß alles aufbieten werden, um Ihr so tief als fein fühlendes Herz wieder aufzurichten.Wie viel mehr würde Ihr Schmerz sehnsüchtig seyn, wenn Sie den lieben Vater, nicht noch in diesem Jahr gesehen und daher noch beynah so spät als möglich, den süßen Austausch der |3 Liebe zu und von ihm genoßen hätten; dies erfüllt nun im Andenken, alle Zeit des Nichtgesehenhabens bis dahin und ist ein schöner Schlußstein im innigen Verhältniß, in dem Sie zu ihm standen; jetzt erhebt sich daßelbe in's Unsichtbare, und wird noch heiliger.

Mein Sohn trägt mir auf, Ihnen die Versicherungen seiner aufrichtigen Theilnahme darzubringen, wir beyde empfelen uns Ihrem lieben Mann und lieben Kindern, auf's herzlichste.

Es wird mir schwer, Ihnen nun ein Lebewohl zu sagen, daß ich nicht so wiederholen kann, als wenn ich mit Ihnen an einem Ort wäre.

Mit aufrichtiger Liebe und Freundschaft stets die Ihrige

HEnde.

Zitierhinweis

Von Henriette von Ende an Caroline Richter. Leipzig, 17. November 1819, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0743


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3 S. Auf S. 4 Adr.: An | die Frau Legations-Räthin | Richter geborne Mayer | zu | Bayreuth | Frey. Poststempel: LEIPZIG | 17. Nov. 19. Postzeichen und Poststempel. Siegelrest auf S. 1.


Korrespondenz

Zur Datierung: Nach Poststempel.