Von Franz Wilhelm Jung an Caroline Richter. Mainz, 3. August 1825, Mittwoch

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Mainz, am 3ten August 1825.

Noch immer, verehrungwürdigste Freundin, bin ich ausser Stande, anders als mit der peinlichsten Anstrengung zu lesen, kaum das was ich selber geschrieben . . So erklären Sie sich’s, wenn ich mich seit so langer Zeit abhalten lassen, mich in ein so theures Gedächtnis wie das Ihrige und unseres herrlichen Freundes, wäre es auch nur selten, zurükzurufen . Mündliche Nachrichten habe ich zwar zuweilen erhalten, und namentlich durch Hrn. Assessor von Löwe, welchen ich bitten werde, den gegenwärigen Brief in Ihre Hände zu legen; ich sehne mich aber nach etwas bestimmteren, etwas umständlichern, und so wende ich mich an Sie, würdige Frau, mit der angelegentlichen Bitte, mich in einer freieren Viertelstunde damit zu erfreuen. Sie haben mir schon so viele Beweise des ehrenvollsten und gütigsten Wohlwollens gegeben; fügen Sie noch diesen neuen hinzu.

|2 Sie kennen meinen tiefen Antheil an unserem theuren Richter, an allem was er der Welt und Nachwelt schon ist, und was er ihr, seinen Jahren und seiner Thätigkeit nach, noch sein sollte. Sie können sich also vorstellen, wie schmerzlich es für mich gewesen sein müsse, eben durch Hrn. von Löwe im vorigen Jahre zu hören, welche Unfälle ihn betroffen, wie er, an einem bedeutenden Augenübel leidend, Lust und Eifer an jeder Geistesbeschäftigung verloren. Welche Prüfung für ihn, und Sie, theure Freundin, und Ihre treflichen Kinder! Welch ein Verlust für die Menschheit! Als ich vor wenigen Tagen Hrn. von Löwe zufällig wieder sah, war es mein erster Gedanke, meine erste Frage, wie er ihn verlassen, und zu meiner großen Freude gab er mir die Versicherung, sein krankes Auge habe sich gebessert, er könne sich wieder beschäftigen. Sie werden sich wahrhaft verdient um mich und die Meinigen, wenn Sie diese günstige Nachricht bestättigen, und mir überhaupt etwas Ausführlicheres über Ihre bisherigen Schiksale |3 sagen wollen. Was mein Herz für Sie Alle fühlet, berechtiget mich gewissermaßen zu dieser Bitte. Sie kommt aus seinem Innersten, und das Ihrige, das so gut und edel fühlet, kommt ihr ohne Zweifel mit vieljähriger Güte freundlich entgegen.

Ich geniesse Gottlob einer besseren Gesundheit als seit vielen Jahren; allein ich kann mich nicht mehr beschäftigen, und dies gibt oft meinem Zustand etwas peinliches. Doch, ich muß an das denken, was mir bleibt, nicht an das was ich verloren. Und so [...] finde ich noch unendlich viel, der allgütigen Vorsehung, sie anbetend, zu danken.

Meine trefliche Agnes leidet zwar noch immer sehr an ihren Nerven , doch bewährt sich fortdauernd ihr klarer und tiefer Geist, ihr eben so klares und tiefes Gemüt. Ihr ältester Bruder, der Maler, ist noch bei mir; sein jüngerer Bruder, der hiesige Staatsanwalt-Substitut, ist verheirathet, und verspricht mir den ersten Enkel; sein jüngster Bruder, der Kaufmann, ist in Paris wohnhaft, seine Gattin ist eine Tochter des dortigen Buchhändlers Treuttel. Wenn er noch bei mir wäre, so würde mir zur ersten Glückseligkeit nichts mehr fehlen.

Aber eine Hauptfrage. Werden Sie denn im Herbste keine Reise machen, in Begleitung Ihres theuren Gatten? Sie würde ihm zuverlässig sehr wohl bekommen. Dann führt der Weg Sie auch an den schönen Rhein, in das alterthümliche Mainz, zu Ihrem herzensvollsten Freunde. Welch ein Genuß für uns Alle! Sie Alle drükke ich mit aller meiner Liebe an mein unwandelbares Herz.

Jung.

Zitierhinweis

Von Franz Wilhelm Jung an Caroline Richter. Mainz, 3. August 1825, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0752


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3 S.