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B. den 22ten Nov.
Sontags
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Geliebtes bestes Kind!

Deine Backe ängstigt mich entsezlich. Warum mußte ich gerade da nicht bei Dir sein, wo ich Dir wohlthun konnte. Meine arme Odilie wie magst Du gelitten haben! Du schreibst es sei ein Geschwür aufgegangen, aber nicht ob nach Außen oder nach Innen. Ersteres wird doch nicht der Fall sein? Du würdest dann mit einer langen Wunde zu thun haben. Schreib mir es doch ja gleich wie es jetzt ist. Daß die verständige Auguste Durouf hat kommen lassen, dafür doch ihr doch recht sehr, es war sehr gut, daß überhaupt ein Arzt geholt wurde, der doch gleich den ganzen Zustand erkannte. Freilich hast Du in Deiner Kur Einhalt thun müssen, aber vielleicht hast Du doch das Liegen nicht zu unterbrechen gebraucht, da ich das für das Gesündeste und Beste halte. Wenn Du, was mich sehr freut der guten Auguste bei den Puppen hilfst so sei es nur im Liegen. Bleibe deswegen ja nicht länger auf, als es die eigentlichen Gesetze der Kur wollen, ich weiß zwar, daß |2 Du zu vernünftig denkst, als irgend einer Freude Deine Pflicht aufzuopfern, aber ich weiß auch, daß der Wunsch für Anderer Vergnügen thätig zu sein, Dich jene Pflicht vergessen machen kann. Daher bitte ich Dich mein Kind, diese noch übrige Zeit Deines dortigen Aufenthalts nicht durch muthwillige Vernachlässigung Deiner körperlichen Pflege zu-verkürzen, sonst hätte ich Dich ja mitnehmen können. Denke an Deine Eltern, an ihre großen Opfer, wenn Du Dich auch selbst vergessen wolltest. Thue alles für die Andern, indem Du auf Deinem Bette liegst, was Du ihnen nur an den Augen absehen kannst – ich verlange nichts von Dir. Es versteht sich daß Du den Louis d’Or wechseln läßt, dazu ist er ja. Ich werde Dir auch mehr Taschengeld schicken – ich hinterließ Dir eigentlich nur 4 Kronth. da die anderen 2, gleich auf die Blonden gerechnet waren.

Bitte doch die Auguste, ob sie nicht von Mlle Behrs ein Stück Blonden, oder einen Rest von 9 Ellen erhalten kann, welches sie wenn sie nicht gefielen wohl wieder annähmen. |3 Du glaubst nicht wie viel Beifall meine Blonden finden. Gräfin Henkel, und Fräulein Imhof wollen so gern welche in der Art. Ich fand sie bei Behrs etwas theurer – 1 fl. 24 – forderten sie, vielleicht ließen sie sich noch etwas abhandeln. Es müsste aber ein geschmakvolles Dehsein sein. Oder was noch besser wäre, Du bötest die gute Dürouf sie zu kaufen, da sie es noch besser verstehen wird. Ich habe ihr geschrieben und schicke ihr des Vaters Kupferstich um ihn für Herrn Heine zu Weihnachten in einen Rahmen zu lassen. Es geht nur bis Dienstag keine fahrende Post. Vielleicht bekömmt auch die Putzmacherin Hofmann wieder andere Blonden, die Schwabacher quält mich in Einemfort darum. Wenn der Fuhrmann die Kiste noch nicht abgeholt hat, so packe doch auch Deinen neuen gestreiften lilas Mantel darein, den ich Dir zuerst schenkte – Du kannst ihn doch jetzt nicht brauchen. Wenn das gute Mädchen aus Ulm es ohne viele Mühe kann so soll sie dem Vater 6 Buch von dem Papiere kommen lassen.

|4 Ach wenn Du nur gesund wärest meine theure Seele! Wenn Du mir Jetzt, Jetzt in dem Augenblik das ich dieses schreibe, keine Schmerzen hättest! Du lieber guter Engel! Dein Brief an Emma machte mir viel Freude – so ist es Recht, wenn Schwestern sich lieben, Dein schönes erwachendes Gefühl für das Bessere im Menschen, öfnet mir den Himmel schöner Aussichten für Dich! Gott erhalte Dich nur uns!

Der Auguste Spitzengrund-Haube habe ich schon angefangen. Du wirst ganz damit zufrieden sein. In Rücksicht des anderen bedeutendern Geschenks will ich, statt Silberzeugs, ihr 3 Loui d’Or in einem goldnen Beutelchen das Du kennst, verehren. Gewis wird sie nicht davon beleidigt sein, und es ist ihr Nützlicher. Die Hosen für den Vater sind über die Hälfte fertig, ich stricke immer daran. Sie freuen mich noch sehr. Ich werde viel zum Ausgehen und Zerstreuungen versucht und bitte Gott täglich mir Kraft zum Festhalten an die nothwendigen Arbeiten zu geben, die mir |5 obliegen, da so vieles noch gethan werden muß. Die Haube, und die Hosen sind das Wichtigste. Dir schenke ich in Gedanken den rosa Hut – der Dich hier in Baireuth schmüken soll, aber ehe er gemacht wird must Du hier sein, damit er paßt. Für Emma habe ich ein anderes Seidenzeug von pikanten Farben gekauft, aber noch immer keine Zeit zum Machen genommen. Heute ist der Vater mit Emma wieder bei Ranzows, ich habe abgesagt.

Eben geht die Post. Adieu Adieu mein Leben! Sage an Herrn Menna ich hätte mich umgesehen für seinen Sohn aber hier braucht Niemand einen jungen Menschen, daß es mir sehr leid thäte. Lebe wohl Geliebte

Der Vater ist sehr wohl, und grüßt herzlich mit Emma

Deine Mutter
C.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 24. November 1822, Sonntag . In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0756


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Bl., 1 Dbl. 8°, 5 S. Auf S. 6 Briefentwurf von Emma Richter an Marie von Schubaert vom 21. November 1822.


Korrespondenz

B: Von Odilie Richter an Caroline Richter. Würzburg, 21. November 1822, Donnerstag

Zur Datierung: Vermutlich falsch datiert, der 22. November 1822 fiel auf einen Freitag; wahrscheinlich wurde der Brief erst am 24. November 1822 verfasst.