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Berlin d. 2. X.ber 9

Meine liebe Caroline!

Wenn Du meinen letzten Brief erhalten hast, worinn ich Dich von der geschehenen Bezahlung der auf mich gezogenen Assignation versichert habe, so wundere ich mich, daß Du mir nicht antwortest. Gewöhnt an Deine Hertzlichkeit für mich, ist mir jede Unterbrechung ihrer Äußerung empfindlich; auch ist Dein letzter Brief schon vom 7.8.ber also fast 2. Monath alt. Schreib mir also bald. Die Einlage gib Deinem Mann, den ich grüße. Sie ist von Frau von Kalb ; und wird [...] um der Nachricht von der Tochter angenehm seyn, weil erstere wo nicht directen Vortheil, doch Erleichterung von dem glücklichen etablissement ihrer Tochter, der Hof Dame bey der Printzeß Wilhelm , haben wird.

Wir erwarten nun in Kurtzem den König nebst der Königlichen Familie zurük , welches eine längst |2 ersehnte Wohlthat für Berlin ist.

Da neue Kraft Anstrengung neue Mittel des Wohlstandes herbeyführen muß, so verzweyfle ich auch gar nicht an eine solche Herstellung des letztern, wie er sich zu dem Grade von frugalitaet paßt, den alle diejenigen seit drey Jahren angenommen haben, die für sich u ihre Familien selbst sorgen müßen. Für diese fallen jetzt alle imaginaire Bedürfniße weg, und das Nothwendige erfordert so wenig. Auch die Stiftung einer Academie oder Universitaet allhier wird Berlin noch interessanter machen, und die besorgte Zweckwiedrigkeit des Orts für junge sich selbst überlaßene Leute wird wenigstens so lange nichts schaden, als die Zeit Umstände selbst den leichtsinnigsten jungen Menschen die Nothwendigkeit predigen, sich durch Kenntniße einen sichren fond zu seinem Fortkommen zu verschaffen, um bey noch immer zu besorgenden Glücks Umwältzungen nicht im Bloßen zu |3 stehen.

Der Antheil den ich jetzt an der beginnenden Academie nehme, ist, daß ich des Hallischen Wolffs lateinische Vorlesungen über den Aristophanes in jeder Woche zweymal mit anhöre. Die Stunde von 1. Uhr Mittags ist so gewählt, daß ich doch die Feder niederlegen muß, indem ich von früh Morgens arbeite.

Zu meiner Dir übrigens noch unbekannten Lebens Weise gehört, daß ich, um meine Promenaden im Winter nicht einstellen zu dürfen, auf der Potsdammer Chaussee nahe an der ersten Brüke, wo wir sonst zum Hof Jäger gingen, im Hause des Krieges Rath Gerhard im Dach Stübchen nebst kleinem Holtz Gelaß gemiethet habe; und wenn es nicht Keulen regnet, täglich hingehe, auch aus Akten, die sich bequem transportiren laßen, oft des Vormittags dort arbeite. Ein Panorama der Gegend von Tempelhoff auf der einen, und der Chaussee auf der |4 andren Seite machen meine existentz dort sehr angenehm; u ich komme erheitert zurük.

Was die Morgen Röthe einer beßren Zukunft sonst für mich mit sich führt, ist die Außicht unser rückständiges Gehalt wo nicht baar doch auf eine Art zu erhalten, die den Verlust immer erträglicher machen wird, je mehr man durch frugalitaet Zeit gewinnt, den hergestellten Staats Credit abzuwarten. Bey mir gehet diese frugalitaet so weit, daß ich seit dem 8. 1806. nur zweymal im Schauspiele gewesen bin. Meine Frau auch lebt bloß im Zirkel ihrer Freunde.

So werden wir uns also hoffe ich bald wieder einmal sehen können, u soll mir Dein Anblick Ersatz für alle Leiden der Vergangenheit seyn.
Lebe wohl u küße Deine Kinder

Dein treuer Vater
Mayer

Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, 2. Dezember 1809, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0805


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

A: Von Caroline Richter an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Bayreuth, 10. Dezember 1809, Sonntag