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Lieber Freund und Meistersänger

Ich bin ein fleißiger Leser Ihres Himmels und Ihrer Hölle und ob ich gleich Ihre Ansichten der Poesie und Ihr zu hohes Erheben des Characteristischen nicht mit meiner Ueberzeugung verbinden kann, so sehe ich doch ein daß es in der jetzigen Zeit wo mysteriöser Nebulismus und Abstraktion von Abstrakten zur Modekrankheit geworden ist, ein recht heilsames Wort seyn mag, was Ihre Blätter verkündigen. Da Sie übrigens mich und meine ganze Existenz kennen, so werden Sie überzeugt seyn, daß ich den glücklichen Fortgang Ihres Instituts mit Vergnügen sehe, und ihn nach meinen Kräften gern befördern will , nur . – In einem Ihrer letzten Blätter bin ich auf eine recht Merkelsche Art beleidigt worden, und da ich von Ihrer Freundschaft glauben darf, daß sie selbst nicht darum wißen, so erlauben Sie mir Ihnen das Ding auseinanderzusetzen. Wißen Sie aber darum und haben Sie es mit Fleiß gethan so bitte ich diesen Brief als nicht |2 empfangen anzusehen. Es wird nehmlich gesagt, das zu dem Singspiel das man in Manheim beym Einzuge der Prinzeßin aufführen wollte, sey der Text in Leipzig bestellt worden. Im Freimüthigen würde mich eine solche Indiskretion nicht gewundert haben. – Vor 6 Wochen erhielt ich von einem Bekannten aus Manheim und einem Freund aus Heidelberg den Auftrag eine den Kräften des dortigen Theaters angemeßne u ausführbare Idee dazu anzugeben. Ich that es, nicht wie ein Schuster bey dem man Schuhe bestellt, oder wie ein armseeliger Reimer der Hochzeiten für Geld besingt, sondern als Versuch zu meiner eignen Uebung. Meine Ideen erhielten Beifall und die Arbeiten an Dekorationen, Tänzen, Maschinenwesen etc. wurden darnach unternommen. Ich unternahm es unter der Bedingung unbekannt zu bleiben, da das Ganze wegen lokaler Beschränkung (z. B. das einzige hervorstehende Talent auf dem dortigen Theater ist ein Kind von 9 Jahren) und dem Nahmen eines Kunstwerks, das aus Freiheit entsprungen seyn muß keinen Anspruch machen kann. Urtheilen sie daher nicht nur von meiner Ueberraschung mich so compromittirt zu sehen! Ich schreibe noch heute nach Mannheim und mache den Direktor des Theaters Baron Vanningen dafür verantwortlich. |3 Ich gestehe auch daß diese Beleidigung dadurch empfindlicher für mich wurde, daß sie durch Sie, den ich immer als ein braves redliches heiliges Gemüth geschätzt habe, mir zukam, und ich kann mich nicht überzeugen daß der Zeitungsteufel in Sie gefahren ist, der um pikant zu seyn, mit hämischer Freude beleidigt, und Dinge publizirt die zwischen Freunden verhandelt wurden. Schreiben Sie mir bald. Wie wenn wir einen Tauschkontrackt machten? Ich schicke Ihnen Beiträge für Ihre Himmels u Höllen Affichen, Sie schreiben mir aus Weimar was sich dort nicht gut drucken läßt.

Leben sie wohl. Grüße an die liebe gute stille Frau, und an die Kinder. Ich habe stehe allein fürchterlich allein – und grüße Sie

Ihr

Mahlmann

Leipzig
d. 25ten Apr.
1806.
Zitierhinweis

Von Siegfried August Mahlmann an Johann Daniel Falk. Leipzig, 25. April 1806, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0813


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Textgrundlage

H: GSA, 15/II,1 C,4
1 Dbl. 4°, 3 S. Auf S. 4 Siegelspuren und Adr.: Herrn Rath Falk | Wohlgeboren | in | Weimar. Postvermerk: fr.