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Berlin d. 12. Junius 13.

Meine liebe Caroline!

ich erhalte so eben Deinen lieben Brief vom 19. May , und sehe daraus, daß ein, vor ohngefähr sechß Wochen, von mir an Dich geschriebener Brief , verloren gegangen seyn muß. ich hatte ihn an Frau von Kalb gegeben, um ihn durch Einlage an eine Freundin in Bresslau , an Dich gelangen zu laßen. – Da Frau von Kalb mit ihrer Tochter abwesend ist, so kann ich nicht erfahren, an wen sie meinen Brief eingelegt hat; u bedauere den etwaigen gäntzlichen Verlust des Briefes um des Kummers willen, den Dir Mangel von Nachricht von mir verursacht hat, u um der Hertzens Ergießungen willen, die sich auf Familien Verhältniße beziehen.

Was nun Deine jetzige Nachricht von der Ruhe betrift, davon Du bisher im gantzen genoßen hast, so kann mir diß nicht anders als erfreulich seyn; und wünschte ich ein gleiches von mir sagen zu können. – ich will Dich indeßen mit unangenehmen Mittheilungen nicht verstimmen; sondern sage Dir |2 nur, daß ich gesund, und in Rücksicht des Einflußes der öffentlichen Calamitaeten auf Privat Wohlstand nicht schlimmer daran bin, als andere. Freylich ist dieser Einfluß, u der Druck meiner Privat Verhältniße, von der Art, daß er die größte Anstrengung der Seele erfordert, um nicht durch die Furcht vor der Zukunft, an der für die Bestehung der Gegenwart erforderlichen Faßung des Gemüths, zu verlieren; allein je schrecklicher die Folgen hievon seyn würden, je mehr strebe ich gegen jedes zu lebhafte Vorgefühl der Zukunft an. Ein Gebet um neue Stärke steigt ja zum Herrn, u der Herr erhört es gern, u an den Verlaß auf diese Erhörung, und auf die Unabwendbarkeit desjenigen, was das unerbittliche Schicksal einmal in den Plan meines Lebens verwebt hat, so wie an den festen Willen, mich selbst so weit möglich dabey vorwurfs frey zu erhalten, stemme ich mich an, so oft das Gefühl meiner Leiden für meine Besonnenheit zu stark zu werden, drohet.

– Über Minna werde ich Dir besonders Nachricht geben. Emma ist noch auf der Louisen Stiftung und wird immer besonnener. Die Briefe an sie habe ich ihr zugestellet.

Julius ist noch bey mir, u ein Land Stürmer mit der |3 Picke. ich hoffe, daß er wenigstens seine Schul Studien zu vollenden, Zeit behalten soll. Er ist für die seinigen zu wichtig, um nicht für eine solide bürgerliche existentz ausgebildet zu werden. Er ist u bleibt brav.

Meine Frau ist gesund, und grüßt Dich.

Meine Schwester ebenfalß.

Den Brief an Fräulein v. Kalb habe ich einem nach Frankfurth an d/O heute abgehenden Officier mitgegeben, weil erstere dort ist. Sollte sie schon weg seyn, wird er mir den Brief zurükschicken. Der junge Kalb ist wie sein Bruder bey der Armee.

Von Deines Mannes u Deiner Kinder Befinden sagst Du nichts. ich nehme sie also für sich wohlbefindend an; und bitte sie zu grüßen;

Lebe wohl, küße Deine Kinder, u liebe

Deinen
treuen Vater
Mayer.

d. 12. Junius 13

Den Tod des Praesidenten v Gerlach wirst Du erfahren haben. Stürme des Schicksals auf sein Gemüth, haben seinen eisenfesten Körper zerstört. Sein Ehr Gefühl litt durch Amts Veränderungen, u seinen Privat Wohlstand hat er durch einen unglücklichen Guths Kauf zum Theil eingebüßt.

Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, 12. Juni 1813, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0816


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3 S.