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B. 18 Apr. 5.

M. g. C.! Sie sollen, S. dürfen nicht wieder krank werden: weder in der Einbildung d. i., wie S. sagen, an der Seele, noch in der Wirklichkt, d. i. am Körper.

Ich habe bei nahe in 3 Wochen keinen Brf. v. meinem Bruder in Hamburg gehabt – so lange hat er mir noch nicht geschwiegen – auch mein aelterer Bruder u kein Mensch hat hier Briefe v. ihm, das machet mich sehr unruhig, so daß ich es Ihnen klagen muß.

Keine Briefe ist zwar auch keine schlimme Nachricht, denn diese kommen immer noch zeitlicher als man sie vermuthet; ab. so wahr diese Bemerkung ist, u so oft ich schon Menschen damit beruhiget habe; mich selbst kann ich nicht beruhigen.

Glauben S. mich nicht zu kleinlich, C.! in meiner Unruhe; ich bin Mann u bin auf Vieles stets vorbereitet; aber mein guter Bruder hat keinen besseren Bruder, als seinen Emanuel u ich habe keinen besseren als meinen Israel.

Hätt' ich Ihnen dieses alte Geständniß auch nicht wieder erneuert, S. würden doch wissen, daß ich Ihren Schmerz um Ihren lieben Bruder doch fühle u theile. Wie lieb ist mirs, daß S. den reichen Juden ausweichen. Auch nicht zu einem einzigen geh' ich mehr. Die unsrigen hier sind – wie alles in den kleinen Städten – wahrscheinlich noch verwerflicher, als die bei Ihnen.

Im Grunde bin ich aber weder mit den Juden |2 noch mit den Christen d. h. mit keinem Menschen ganz zufrieden, am aller wenigsten mit dem Unzufriedenen, der ich, wie S. sehen, selbst bin.

Aber mit dieser meiner Unzufriedenheit bin ich es u kann ich es seyn; denn ich liebe den armen Menschen, ich bedauere sie u entschuldige sie, wo mirs möglich ist im Einzelnen u im Allgemeinen.

Unsre Vernunft, unsre Begierde, unsre Leidenschaften, unser Kopf u unser Herz stehen uns beständig in so verschiedenem Lichte gegenüber, daß ich mich nicht zu trösten wüßte, wenn ich nicht die Gewißheit hätte, daß ein Wesen, das aus einem unbegreiflichen (zeitlichen) Nichts (Körper) u aus einem unbegreiflichen (ewigen) Etwas (Geist) zusammen gesetzt ist, gerade nur so u nicht anders seyn kann, viell. nicht anders seyn soll. Von dieser Wahrheit überzeugt aus täglicher Nicht nur S. behaupten es, C., auch schon Maimonides, Jacobi u alle die etwas wissen, behaupten, daß der höchste Punct des Menschen Wissen darinn besteht, zu wissen, daß wir nichts wissen .

V. dieser Wahrheit überzeugen uns täglich die Wissenden u die Unwissenden. Es wäre also Eitelkeit v. sich zu sagen: ich weiß, daß ich nichts weiß; aber es ist keine zu sagen: ich setze nicht den größten Werth aufs Wissen u ich darf es wissen, daß ich glücklich seyn könnte – wenn ich nur gut obgleich nicht vielwissend wäre. Die Weisen, die Vielwisser lassen sich Alles hingehen, können daher jeden andern |4 Nichts hingehen lassen.

Ich nähre mich gerne v. meiner Hände und Kopfarbeit u bin wieder den Wunsch einiger meiner gelehrtesten Freunde, zu einem Gelehrten verdorben.

Für diesen Sommer bin ich wieder ein thätiger Geschäftsmann auf dem Lande.

Mit meinem Uhlfelder – der S. herzlich grüßet – hab' ich wieder ein Rittergut gekauft , das ich zerschlage. Bis Sie zu uns kommen, hoff' ich wieder zu Hause zu seyn.

Am 20sten

Vorgestern brach ich ab, in der Hofnung, gestern doch noch einen Brief v. m. Isr. zu erhalten u Ihnen es sagen zu können.

Gottl! ich bekam einen guten Brief : er ist gesund u wohl!

Bleiben S. es auch stets, g. C., freuen S. sich mit mir u seyn S. stets froh!

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 18. und 20. April 1805, Donnerstag und Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0853


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Textgrundlage

Hk: Slg. Apelt,
2 Bl. 8°, 3 S. Auf der Rückseite von S. 1 befindet sich der Briefschluss von B von Caroline Goldschmidts Hand.


Korrespondenz

B: Von Caroline Goldschmidt an Emanuel. Berlin, nach dem 26. Februar 1805
A: Von Caroline Goldschmidt an Emanuel. Berlin, vor dem 1. Juni 1805

S. 1 auf Rückseite des Briefschlusses des vorangegangenen Briefes von Caroline Goldtschmidt an Emanuel Osmund.