Von Johann Ernst Wagner an Friedrich von Müller. Meiningen, 8. März 1806, Sonnabend

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Meiningen den 8n März 1806.

Mein edler, liebenswürdiger – mein Freund ohne Gleichen! Es giebt für mich kein nothwendigeres Geschäft, als mit der ersten Feder, die ich hier halte, dem freundlichen heitern schönen Paare – welches meine reine Lebenslust in Weimar, wekcte, großzog und im Herzen unsterblich machte – zu sagen, daß ich glücklich wieder da bin; weil ich weis – ich glücklicher Mensch' – daß dieß theure Paar Menschen noch jetzt von dem Geschiedenen sorgsam redet: "sollte er auch mit Glück sein Ziel erreicht haben?" – O meine Freunde!

Gestern Abends um 8. treff ich matt und zerstossen ein, und komme jetzt – nachdem ich meine brave Hzgin begrüsst, die, gerührt, mit mir sich über so schöne Menschen freute, deren Bild die Ilm (o möge sie Euch sanfter vorübergleiten!) dort zurückgiebt – komme sag ich, jetzt schon aus meinem ersten Bade. – Von Athen langte ich nemlich sehr wohl in Sparta an, befand mich aber – wiewohl es mein Freund an keiner Art von schwarzer Kraftsuppe mangeln ließ, Abends sehr übel – doch des andern Abends wieder so "bequem gesellig", daß ich mit ihm, Hofen und dem alten äuserst heitern Thümmel tief in die Nacht punschen konnte – aller verbotenen Zitronensäure zum Trotz! Auch ward am folgenden Morgen der Olymp von Sparta (soll ich lieber sagen: der Parnaß?) mit ausgezeichnetem Glück erstiegen, und das Herz dort erst an Grassy's berühmten zwey Gemälden, und dann in der That auch an einem ihrer Originale, erfrischt und in poetischen und verschiednen andern Düften gebadet. – Desto unbehaglicher und erfrorner kam ich gestern hieher.

Für jetzt habe ich nur eine herrschende Empfindung – eine wehmüthige! Daß mich der "redliche Diener" nicht mehr zu Ihnen ruft! Nur einmal möchte ich in Ihr freundliches Auge sehen – nur einmal das blauäugige Mathildenköpchen (Sie zürne nicht! – denn J. Paul nennt meine Mathilde "eine neue, vom Himmel niedergelassene Jungfrau", welches ich hier – aber auch nur hier, wohl sagen darf!) sinnig und freundselig betrachten! Noch einmal – aber ach, all die Herrlichkeit klingt nur noch aus der Ferne her, und um mich |2 ist es still geworden –

Dank, und Lebewohl! Ewig

Ihr

treuer JEWagner

Mit dem Gelde – über die fahrende Post – schreibe ich wieder.

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Friedrich von Müller. Meiningen, 8. März 1806, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0861


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Textgrundlage

H: GSA, 68/618, Bl 3-4
1 Dbl. 4°, 1¼ S. Auf S. 4 Siegelreste und Adresse: Herrn | Regierungsrath D. Müller | Wohlgeboren | in Weimar. Postvermerk: Postfrey. Poststempel: R3 MEININGEN.