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Gotha, d. 26. Dec. 1808.

Nach einem solchen Bittbrief als der Ihrige ist, mein werther Freund, muß auch wohl der Aermste thun, was er vermag.

Sie glauben, ich habe ein gefülltes Portfeuille? Ja, ich hatte eins, das mir aber leider, – vermuthlich von einem der Mäurer oder Tüncher, die diesen Sommer in meinem Hause arbeiteten, und gewiß aus keiner andern Ursache als des Kästchens wegen worin die Mspte. lagen, – entwendet worden ist. Eine kleine Oper, ein beinah' geendigter komischer Roman, eine Menge kleiner Poesieen aus meiner Jugendzeit, und Briefe, wichtiger als alles dieß, sind dadurch verloren gegangen, ob ich gleich den unbekannten Dieb durch eine versprochne ansehnliche Belohnung anzulocken gesucht habe, mir die ihm unnützen Schriften wieder zu bringen, mit dem Versprechen, seinen Namen zu verschweigen. Ich wurde meinen Verlust nicht eher inne, als im September, wo mich ein Brief des Herrn Göschen veranlaßte, nachzusehen, da er willens ist, eine Ausgabe meiner sämmtlichen Schriften zu veranstalten. Ich stoppele zu dieser Absicht alles zusammen, was sich glücklicher oder unglücklicher Weise noch hier und da versteckt hat, und um Ihnen wenigstens meinen guten Willen zu zeigen, lege ich hier einige von den geretteten Kleinigkeiten bei, und überlasse es Ihrer Beurtheilung, ob z. B. ein paar Liebeslieder eines alten Mannes des Aufhebens und der Druckerschwärze werth sind. Ich verfertigte sie vor zwei Jahren, um einer kleinen Neckerei unsrer gemeinschaftlichen Freundin, der Fr. v. W.., zu begegnen, die mir das Wort Pygmalion als einen Leisten gab, um ein Gedicht ich gleich kurzer Versart darüber zu schlagen. Nur Achtung gegen Sie konnte mich bewegen, lieber Freund, mit einigen Leierstückchen hervorzutreten, die sich nur schlecht in dem großen Concert, das Sie veranstalten, ausnehmen werden. Ich schließe noch ein Gedichtchen einer Dame auf meinen Geburtstag, als einen Nachtrag derjenigen bei, die Hr. Joh. Müller im Morgenblatt aufzuheben für gut fand.

Sagen Sie mir bald, daß Sie wieder recht gesund sind, und es Ihnen so wohl geht, als ich Ihnen zum Neuenjahr und zu allen Zeiten wünsche.

M. A. v. Thümmel.

Zitierhinweis

Von Moritz August von Thümmel an Johann Ernst Wagner. Gotha, 26. Dezember 1808, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0893


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Textgrundlage

D: Ernst Wagner’s sämmtliche Schriften, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 12, Leipzig: Fischer 1828, S. 156-158.