Von Johann Ernst Wagner an Louise Henriette von Könitz. Meiningen, 9. August 1809, Mittwoch

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d. 9. August 1809.

Ihre Excellenz, in diesen festlichen Tagen mit einer ähnlichen Bitte beschweren zu können, wie im vorigen Jahre – das glaubte ich noch im verfloßenen Merz kaum ! Gott, und durch ihn ein Guter, Trefflicher , den wir Beide kennen, haben indessen meine Hoffnungen sogar beträchtlich auf die Zukunft erweitert ; und so kommt es, beste verehrteste gnädige Frau, daß ich Sie jetzt um gütige Ueberreichung anliegender Herzensergießungen an meine hochverehrte Herzogin und an die liebenswürdige Prinzessin Adelheid bitten kann. Auch meine Unmündigen bringen, mit derselben Bitte hier ihre kleine Gabe dar.

Meinen geliebten Lebensretter den innigst-dankbaren Gruß! Möchte er in meine Seele schauen können!

Die neulich eintretende Hitze, die mich 3-4 Tage fürchten ließ, alle gute Wirkung der Arznei werde durch ihre afrikanische Ermattung wieder verloren sein, hat gar nichts geschadet, sondern in den ersten kühlen Tagen fand ich mit Wonne, daß die vorige Erleichterung geblieben, ja, still fortgeschritten war, und so schreitet sie bis diesen Augenblick fort. Am vorigen Sonntag bin ich zum ersten Male wieder zu Heims geritten; (dort ist für mich die beste Treppe unter allen, der mir befreundeten Häuser.) Alles ging vortrefflich, und viel besser, als es dort zum letzten Male vor 5 Monaten gegangen war. Ich machte verschiedene auffallende Kunststücke, und als ich endlich frei in die Mitte des Saales trat, meinen Stock weggab, und unter Aufsicht der Umstehenden mit der linken und rechten Hand mich zur Erde bückte, und allein wieder emporrichtete, da erscholl ein rührendes und glaubensvolles Bravo. Die brave Hausmutter fiel mir mit hellüberquellenden Augen um den Hals, und es that mir innig, innig wohl, so frei dastehend zum erstenmal wieder eine Dame in die Arme zu schließen; und Eine, die es stets so treu mit mir gemeint hatte und die noch dazu bei ihrer Schwere auch nicht sehr fest auf den Füßen steht. Kurz, ich fühlte mich bis jetzt in jenem Augenblick doch am kräftigsten! Nur mager macht mich die Kur; – vielleicht gut!

Aber Verzeihung, gnädige Frau, daß ich so viel von mir rede! Nur die einzige Bitte noch, mich ewig nennen zu dürfen etc.

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Louise Henriette von Könitz. Meiningen, 9. August 1809, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0905


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Textgrundlage

D: Briefe über den Dichter Ernst Wagner, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 2, Schmalkalden: Varnhagen 1826, S. 129-132.

Überlieferung

D: Ernst Wagner’s sämmtliche Schriften, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 12, Leipzig: Fischer 1828, S. 242-243.