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Berlin, d. 6. Mai

Ich bringe morgen dieses Blatt Ihrem Herrn Vater und bitte es beizuschließen, wenn er Ihnen wieder schreibt . Auch danke ich sehr für die gütige Besorgung unserer so unbedeutenden Arbeiten . [...] Alles, was Sie von den Stickereien nicht verkaufen können, können Sie auch unter derselben Adresse nach Bamberg schicken; so werden Sie, liebe Freundin, über diese Kleinigkeiten nie in Verlegenheit kommen. Diese Besorgungen haben für mich nichts Angenehmes, auch nichts Widriges, ich treibe es so lange, als mich das Schicksal oder vielmehr, die äußere, sehr öde Lage dazu nötigen.[...]

Mir scheint der Zustand von Berlin jetzo drückender wie jemals . Ein Lager soll bei Berlin, bei Charlottenburg sein, es kostet an zwei Millionen. Wo, wie wird es endigen? so fragt und sorgt jeder.

Wie gerne möchte auch ich Ihre Kinder schauen und mich ihrer Lieblichkeit freuen!

Edda besucht die Zelterische Singakademie , ich nicht, weil ich nicht ausgehe, ja in dem Druck der Lage nicht ausgehen konnte. Wir haben gar keinen Cirkel, mit dem wir umgehen. Niemand, das ist keine Redensart, sondern strenge Wahrheit. Einige waren gefällig gegen uns und sind es noch; das ist gut.

Ich wohne No. 66. in der Lindenstraße, gerade die Aussicht über die ganze Schützenstraße; in demselben Haus hat W. A. Schlegel seine Kollegia gelesen . Bleibe ich den Winter in Berlin, so wünsche ich den Linden näher zu wohnen, besonders wenn der Hof wieder hier wäre ; aber ich weiß wirklich nicht, wie es mit mir in einigen Monaten sein wird, sein muß. Jeder muß Änderung wünschen, und alles ist in Gärung. Welch ein Licht wird es sein auf meinen Wegen, wenn ich Richter einmal wieder begegne und um ihn bleibe !

Charlotte.

Haben Sie die Güte, dieses Billet zu couvertieren und nach Bamberg zu schicken. Mit allem Eifer bemühe ich mich, meine und die Existenz meiner Kinder mir etwas zu erleichtern. Es gehört eine Besonnenheit dazu, die fast schmerzlich ist, um sein Leben zu erhalten. Von Königsberg ist lange kein Kurier gekommen, ich erwarte auch von der Prinzeß Briefe und Geld .

Wenn Sie von Ihrem Herrn Vater Geld erhalten, so kann dieser mir leicht das Geld zahlen, und Sie behalten dann das für die Stickerei . Auch könnte Herr von Altenstein uns vielleicht eine Assignation verschaffen. Ich habe seit Ostern nicht können arbeiten lassen, weil ich nichts für Ankauf u. dgl. habe.

Ich thue alles, um es zu ändern, aber ich habe keinen Glauben an die Anmut und Würdigkeit der äußeren Existenz. In stillem, schweigendem Geist bin ich desto ernster, bestimmter, wenn auch alles sehr läppisch im Äußern um mich ist. Ihre Freundin mit Herz, Gedanke und Freude.

Den 7. Mai.

Wo ist die Herdern und wie geht es mit ihren Kindern ? Wie ist Ihre Adresse?

Wo ist Thieriot? Meinen Gruß dem unbekannten Emanuel!

Zitierhinweis

Von Charlotte von Kalb an Caroline Richter. Berlin, 6. und 7. Mai 1813, Donnerstag und Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0980


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Textgrundlage

D: Kalb, S. 146–148, Nr. 117 (HE Berend)