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Berlin, d. 20. Febr.

Auch mir war durch unser Wiedersehen hohe Freude, weil dadurch sich unsere Freundschaft wieder belebte, erregt worden. Auch nichts bedarf einer so sorgsamen Pflege, als die freien und sanften Gesinnungen, und ich bewahre sie um so inniger, wenn ich glauben darf, daß solche Freunde meiner gedenken. Vor allen grüße ich J. P. R. Ich grüße herzlich Otto und Amöne und bin gerührt von seiner Teilnahme. Aber eine Supplik bloß in der Absicht wegen der Verteilung der 800 fl. kann ich nicht abgehen lassen. Dieser Mißgriff giebt mir die Veranlassung, von einer viel wichtigeren Sache, als mir diese 400 fl. sind, zu sprechen, was uns verheißen war und von der bayerischen Regierung versagt worden ; (zwar hat man die Sache in München nicht so vorgestellt, wie ich sie mir denke und meine.) Ich bin jetzo damit beschäftigt, darüber eine Denkschrift zu fassen, die ich schon hier der Prüfung von Rechtsgelehrten unterwerfen werde. Auch hilft keine Supplik , selbst kein Befehl vom K v B nicht – das hat meine Schwester wohl erfahren. Wenn man in einer Sache ein Recht zu haben meint, soll es auf dem Weg Rechtens gesucht werden. Man vergiebt sich alles auf dem Weg durch Diplomatie oder Supplik ect. (so sagte mir ein gelehrter Jurist.) Also will ich meine Ansicht von Sachverständigen prüfen lassen; finden diese sie recht und wahr und richtig, wie ich meine, dann schicke ich die Darstellung nach Bayern. An den O.-Ap.-R. Hooke wende ich mich nicht, weil er mir durch gar nichts bekannt ist. Selbst seine einfache Redlichkeit wird sich scheuen, sich mit einer sehr verworrenen, mannigfaltigen Unredlichkeit zu befassen. In dieser Zeit kann auf das äußere Gelingen niemand hoffen – es ist eine Vernichtungsperiode, aber unterlassen kann das Leben nicht, zu denken, zu wollen, zu thun. [...]

Zitierhinweis

Von Charlotte von Kalb an Caroline Richter. Berlin, 20. Februar 1820, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0999


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Textgrundlage

D: Kalb, S. 163–164, Nr. 130 (HE Berend)

Überlieferung

H: Ehemals Berlin A
verschollen, laut D 1 Dbl., von dem die Hälfte fehlt.


Korrespondenz

Zur Datierung: In D auf 1815 datiert; in diesem Jahr war Caroline Richter jedoch nicht in Berlin. Sie verbrachte erst in der Zeit vom 6. Dezember 1819 bis zum 25. Januar 1820 sieben Wochen dort, um die Hinterlassenschaften ihres am 1. November 1819 verstorbenen Vaters Johann Siegfried Wilhelm Mayer zu ordnen. Bei dieser Gelegenheit begegnete sie Charlotte von Kalb erstmals nach vielen Jahren wieder.