Von Friedrich Theodor Adam von Müller an Johann Ernst Wagner. Weimar, 18. August 1806, Montag
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Theurer, lieber Freund!
Ja, endlich k b in ich wieder in den Hafen der Heimath zurückgeckehrt, müde des UmherTreibens an muß fernen Gestaden. Es war meinem Herzen wohlthuend, gleich einen lieben herzlichen Brief von Ihnen zu finden. Sie schenken uns ein so warmes Andenken – und wir konnten so wenig noch für Sie thun! Dank, herzlichen Dank dafür, und die Versicherung, daß ich mich recht sehne, Sie wiederzusehen. Mad. Schwendler wird Ihnen die Hofnung, die ich dazu habe, mittheilen ; möge sie nicht vereitelt werden!
Sie schreiben mir so etwas zweydeutig über Ihre Gesundheit , daß es mich bange machen könnte, wenn nicht einige Augenzeugen Sie munter und frisch gesehen zu haben, versicherten. Melden Sie uns ja gute Kunde hierüber.
Auch Ihre reisenden Mahler empfiengen mich – freundlich in Weimar, im rosenrothen Gewande, Sinnbild der Lebens Farben der |2 heitern Künstler. Aus Ihren Händen sind sie mir doppelt schäzbar. Ich kann Ihnen leider! keine würdige GegenGabe weyhen; doch ein zwey kleines Gedichte send' ich Ihnen, d as ie in dem fernen Schleßien meiner einsamen Leyer entklangen, und Ihnen beweisen werden, daß ich der trauten Heimath nicht vergaß, die auch Ihnen lieb geworden ist. Schade, daß Sie Tieffurth nicht selbst kennen, um an meiner Sehnsucht darnach mehr Theil nehmen zu können.
Was ich durch Herders Tod gelitten und verlohren habe, versuchte ich vergeblich auszusprechen! Sie haben den Liebenswürdigen geckannt - Sie können es also ahnden, was seinen nähern Freunden dahin schwand!!
Er, der in LebensFülle mich Kranken Abreißenden tröstete und ermunterte, so schnell hinweggeraft! Verstummt für dieses Leben die heitre Geselligkeit, der fröliche, gutmüthige Witz, der frische, harmlose LebensSinn, der von ihm ausströmte! Mit Staub bedeckt die edlen Züge, die das schöne treue Widerspiel einer |3 so schönen Seele waren! Er war mir als Arzt, Mensch und Freund gleich viel, und zu viel um ihr seinen Verlust je verschmerzen zu können. Nichts kann trösten, als die Hofnung, daß ihm wohl sey, und wohler als uns, die wir auf unsicherm Nachen uns noch umhertreiben.
Seine Wittwe ist leider sehr kränklich, hochschwanger , und daher jezt auch der Gegenstand vieler Sorge. Sie dankt Ihnen für Ihr warmes Mitgefühl, und wirklich kan sie nicht genug beklagt werden.
Wenn wir uns wiedersehen, werde ich Ihnen recht vieles von dem herrlichen RiesenGebirge, mehr noch von dem lieblichen Dresden zu erzählen haben.
Leben Sie wohl bis dahin, und laßen mich bald Gutes von Ihnen hören. Meine liebe Frau, die sich wie Sie leicht denken können, sehr freute, mich wiederzusehen, grüßt Sie aufs herzlichste. Leider leidet sie jezt gerade einmel wieder am Kopfweh, damit keine Freude vollkommen sey. Adelberten habe ich recht verändert gefunden; er läuft nicht nur sehr firm, sondern plaudert schon ein bischen. Adieu! lieber Wagner! Stets u. ewig
Zitierhinweis
Von Friedrich Theodor Adam von Müller an Johann Ernst Wagner. Weimar, 18. August 1806, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1052