Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Meiningen den 22n Nov. 1806.

In der süssen, ach, mir so werthen Hoffnung, daß Sie, mein theurer, verehrtester Freund, und alle Ihre guten Leipziger, sich wirklich so wohl befinden, wie die Zeitungen sagen, ergreife ich muthig die Feder, und wünsche Ihnen Glück, daß Sie in einer grossen Stadt leben. Wir haben hier – zwar in Betracht anderer Gegenden, wenig – doch an sich auch viel gelitten. Es geht eine Militärstrasse durch M., die noch tagtäglich starkbesucht ist. – Mein Übel hat sich zeither nicht beträchtlich verschlimmert, und ich wünsche nur auch recht viel Gutes von Ihrer mir so theuern Gesundheit zu hören.

Noch ein andrer Punkt soll mich sehr freuen, nemlich die Nachricht, daß Sie einen guten Absatz unserer "reisenden Maler" gehabt haben. Gott lasse mich dieß in dieser betrübten Zeit hören!

Übrigens sehe ich mich jetzt genöthigt, Sie an Ihr mir gethanes gütiges Anerbieten zu erinnern, und Sie um den Verlag der 2ten Auflage meines "Wilibalds" und meines Hauptwerks "Reisen aus der Fremde in die Heimath" innigst zu bitten. Hanisch bat mich um den Verlag beyder, wollte auch den Wilibald nicht gern fahren lassen. Ich akkordirte auch wirklich mit ihm auf 2 Louisd'or für den Wilibald und 3 Louisd. für die Reisen. Da es aber an die Bestimmung der Zahltermine kam, kamen wir auseinander, und er gestand, daß er nicht zu dem Verlag im Stande sey. Ich habe mich daher entschlossen, die wenigen noch übrigen Exemplare der ersten Auflage, falls sie ja bis Ostern nicht alle abgesetzt seyn sollten, ihm abzukaufen, um ganz von ihm los zu seyn. Eine schöne Auflage bin ich dem so gütigen Publikum schuldig, und fühle das besonders, seit dem ich mehrere Briefe, sowohl von Buchhändlern als Käufern erhalten habe, die schönere Exemplare, und besonders schönes Papier verlangten.

Nehmen Sie mich an, lieber guter Mann! – Sie können es – wir werden gewiß nicht sitzen bleiben, das hoffe ich zum Himmel – der Krieg wird in der Ostermesse (vielleicht auf lange) zu Ende seyn – und Romane (wozu am Ende meine "Reisen" auch gehören) kaufen die Menschen immer ! Nehmen Sie obigen Akkord an. Mit Kupfern will ich Sie nicht plagen; ausser mit einem einzigen Titelkupfer vor den Wilibald, wozu ich Ihnen mein Gemälde senden werde. Zwey Bände Wilibald und einen Band Reisen können Sie gewiß zur Ostermesse erscheinen lassen – und Sie werden es – denn Sie sind mein einziger Trost in dieser grossen Geldnoth, die uns alle – doch gewiß mich vor tausend Andern jetzt umbiebt. Das MSC. zum |2 Wilibald habe ich gestern geendigt – es ist ein sehr mühsam überarbeitetes gedrucktes Exemplar, woran wirklich die letzte Hand gelegt ist. Meine Wünsche wegen der Zahlung sind: ich möchte von Ihnen Wechsel auf Israels Söhne allhier gestellt, und zwar alle Monathe, bis zu Ende der Zahlung 75 rth. haben. Doch wäre meiner Zufriedenheit hauptsächlich damit genug gethan, wenn ich den 1n Termin zum 1n Dec. und den 2ten zum 22n Dec. schon erhielten, und wenn Sie ausserdem noch die Güte hätten, jetzt noch 26 rth. 12 ggl. 4 h. an Herrn Steinacker gegen Quittung zu zahlen, die ich dann hier mir bezahlen lassen könnte. Sollten Sie die ersten Monathe bis zur Messe geniren, so fehlt es Ihnen doch gewiß nicht in L. an Credit und Freunde, um einem Freunde zu helfen. – Und ach, – mir ist dann endlich geholfen!!

Ich stehe Ihnen nicht dafür, daß Sie Wilibalden schon vor Ihrer Antwort mit dem Postwagen erhalten. Denn dieses Buch muß in Ihren Verlag – weil es die Menschen lieben.

Brechen Sie mir an den Fristen ab, so thun Sie es wenigstens an denen nach der Omesse! – Im allerschlimmsten Falle wage ich noch die Bitte: Bringen Sie mich an einen andern dortigen Verleger, so gut Sie können. Aber, ich werde untröstlichs seyn – ich werde nie wieder in so redliche, liebe Hände kommen!

Verzeihen Sie dem Drange meines heutigen Briefes! Sie kennen ja selbst den Drang dieser fürchterlich stürmenden Zeit – der aber, wenn mein Herz richtig ahndet, bald ein besserer Frühling folgen wird!

Ewig und unveränderlich

Ihr

getreuer
JEWagner.

Sie lassen mich diesmal gewiß nicht auf Antwort warten, Bester!

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Georg Joachim Göschen. Meiningen, 22. November 1806, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1054


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: DSBM Leipzig, Studiensammlungen, 2006/Arch/78
1 Bl. 8°, 2 S.


Korrespondenz

Auf S. 2 aoR mittig Präsentat: Meiningen d 22 Nov806 | Wagner