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Erlauben Sie, mein hochgeehrtester Herr, daß ich schriftlich Ihre Bekanntschaft mache. Sie Ihrer Seits sind durch Ihre geistvollen Produkte schon längst meinem Herzen ein willkommener Freund. Und mündlich kenne ich Sie durch unsern Fernow, deßen Verlust wir leider zu früh betrauern müssen. Er hat mir von Ihnen und Ihrem gemeinschaftlichen Beisammensein in Liebenstein viel erzählt, und gemacht, daß ich Sie noch lieber gewonnen habe. Diese Achtung theile ich hier mit mehrern andern, die meine Freunde sind. Meiner Seits möchte ich mich nun am liebsten auf Fernow berufen, um mich bei Ihnen einzuführen, wenn er nur noch lebte! Aber vielleicht hat auch das Andenken an den Verstorbenen diese Kraft, und allerdings traue ich diese Wirkung auch entfernten, abgeschiedenen Geistern zu, deren Gedanken hienieden immer ein Band bleiben für getrennte Herzen, für welche sie gleichsam die Sprache führen. – – Tausend Wünsche für Ihr Wohlergehen! Möchten doch alle Besorgniße für Ihre Gesundheit schwinden! Laßen Sie mich etwas zur Beruhigung darüber hören! – – Vielleicht giebt mir ein kleines Geschäft – der kürzlich erhaltene Auftrag, künftig die Herausgabe des Taschenbuches der Liebe und Freundschaft zu besorgen – Gelegenheit zu einer nähern Verbindung mit Ihnen. Ich wünsche es recht sehr. Da ich Hofnung habe, etwas dazu von Göthen zu bekommen, so möchte ich auch gern für ihn eine |2 Nachbarschaft haben, die seiner würdig ist. Ihre Schriften beweisen, wie genau, wie tief Sie das weibliche Herz kennen. Liebe und Freundschaft ist also ein Gegenstand, der sich am ersten von Ihnen seine Bemerkungen, Belehrungen und Rathschläge versprechen dürfte. Haben sie die Güte, mir solche mitzutheilen, mag es aphorisisch in einzelnen Sätzen oder in Abhandlungen oder in Briefen geschehen. Oder wollen Sie mir eine kleine Erzählung zukommen laßen, so wird es mir eben so lieb sein. Es wird mir und meinen Freunden einen großen Genuß gewähren. Geben sie der Liebe einen Trost, der Freundschaft einen Führer! Es ist doch schön, in den Herzen anderer zu leben. In diesem Gedanken erquickt uns eine Ewigkeit. Wie wir des gemeinsamen Lichts uns freuen, so laßen Sie Ihren Geist wirken, so lange es Tag ist, – – und niemals müsse es für Sie, für uns Abend werden! – Nur Gutes, nur Erfreuliches wünsche ich von Ihnen zu hören.

Vielleicht hat auch Sie die Nachricht von Weimar beunruhigt, daß Göthe die Direction des Theaters niederlegen würde, welches in Rücksicht der Kunst, wofür auf unserm Theater so manches geschah, gewiß sehr zu beklagen wäre; aber jetzt kann ich Ihnen melden, daß alle Mißverständniße aufgehellt sind, und daß Göthe auf seinem Posten bleibt, für welchen er nun seine Thätigkeit wohl verdoppeln wird. Leider geht aber noch manche nachtheilige Veränderung an unserer Bühne vor, denn ich höre, daß Becker den Abschied genommen hat, was mir sehr unlieb ist. Möchte doch auch dieses noch beigelegt, u alle Stöhrung im Kunstgenuß aufgehoben werden! Dieses hoffe ich eben so sehnlichst, als ich Ihnen zum Besten der Kunst ein noch recht langes, frisches Leben wünsche. Voll Hochachtung nenne ich mich

den Ihrigen
St. Schütze

Weimar den 5ten Jan. 1809.
Zitierhinweis

Von Stephan Schütze an Johann Ernst Wagner. Weimar, 5. Januar 1809, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1066


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Textgrundlage

H: Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg. König),
1 Dbl. 4°, 2 S.