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Leipzig 23ter Januar 809

Es ist nun so lange Zeit verstrichen seit ich keine unmittelbare Nachricht von Ihnen erhalten habe, daß ich fast zweifeln müßte, an der Fortdauer Ihrer ehemaligen gütigen Gesinnung für mich, wenn ich nicht das Geschenk von Ihnen aufzuweisen hätte, welches Ihre Güte im verwichenen Sommer, durch Herrn Harder mir hat zukommen laßen. Rechnen Sie es nicht zu dem gewöhnlichen Leichtsinn meines Geschlechts daß ich bis dahin unterließ, Ihnen für diese freundliche Gabe zu danken. Ich hatte wirklich eine Art Besorgnis, daß meine Briefe aufgehort haben möchten Ihnen angenehm zu seyn, da Mehrere derselben unbeachtet, und jede darin ausgesprochene Bitte, unerfüllt blieb.

Was mir jetzt von neuem Muth giebt mich Ihnen zu nähern, ist eine neue Veranlaßung die Ihnen vielliecht nicht unangenehm ist – indem ich Sie in Verbindung mit dem Kunst und Industrie Komtoir zu Amsterdem einlade, an einer neuen litterarischen Unternehmung Theil zu nehmen |2 auf welche der Verleger alle nur ersinnliche Aufmerksamkeit aufwenden will, auch kein Geld sparen will, um sie vor ihren zahlreichen Mitschwestern bemerklich auszuzeichnen.

Ich darf Ihnen ohne die mindeste Unbequemlichkeit für mich, drey Louis d’or Honorar pro Bogen bieten, wenn Sie die Gefälligkeit haben, mir noch vor der Ostermesse eine Novelle, oder was sie sonst vorräthig haben, so wie auch Einige neue Gedichte, dafür einsenden wollen .

So gern ich Ihnen etwas näheres über die Einrichtung und den Charakter der Unternehmung sagen möchte, so darf ich das doch vor der Hand noch nicht. Der Nahme der Verlagshandlung kann Ihnen sicher etwas Solides verbürgen, auch muß Ihnen der Umstand lieb sein, daß Sie ohne Verzug sich darauf verlaßen können, ohne Verzug, und gradehin durch den Verleger, für den Aufwand Ihrer Zeit entschädigt werden, worauf man in diesen Zeiten gezwungen wohl ist, zu reflectiren in welchen Niemand etwas verschenken kann, am wenigsten ein Haus und Familienvater!

|3 Verzeihen Sie ja die Weitschweifigkeit über diesen Punkt, den man so oft aus übergroßer Delikateß unberichtet läßt, und späterhin [...] zu erwähnen für überflüßig hält.

Da Rochlitz Selene, nun eingegangen ist an welcher Sie so thätig Antheil nahmen, so glaube ich daß Sie vielleicht jetzt um so eher etwas vorräthig haben. Schicken Sie mir das, was Ihnen selber am besten gefällt, so weiß‘ ich gewiß daß ich die größte Ursache haben werden mich zu freuen.

Mit der größten Erwartung sehe ich Ihrer Anwort entgegen, die zugleich die Verzeihung für mein langes Stillschweigen enthalten muß, wenn ich mir selbst es verzeihen soll.

Auch bitte ich Sie ja vor der Hand gegen Niemand von meiner Eröffnung zu reden, bis ich selbst im Stande seyn werde, Ihnen, der Sie immer so lebhaften Antheil an mein Angelegenheiten nahmen, das Nähere davon mittzutheilen.

Mit der innigsten Achtung und Freundschaft

Ihre
ergebenste Minna Spazier
geb. Mayer.

Zitierhinweis

Von Minna Spazier an Friedrich Kind. Leipzig, 23. Januar 1809, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1068


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H: SLUB, Mscr.Dresd.App.42,247
1 Dbl. 8°, 3 S.