Von Johann Ernst Wagner an Friedrich Haug. Meiningen, 16. April 1811, Dienstag

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Meiningen den 16n April 1811.

Nein, mein verehrter, würdiger Mann – so viel Liebe, so große Güte werde ich niemals zu verdienen vermögen! Was habe ich Armer auf jene süßen und wohllautreichen Grüsse zu erwiedern, die Sie mir (und meinen kleinen Versuchen zu Erheiterung der Deutschen Lesewelt) gütig sandten? Ich, der spät und wenig gebildete Prosaiker, dem nur einzig die schüchterne Landmuse sich zuweilen ergab – was soll ich dem Dichter, dem wirklichen, korrekten Künstler sagen, den schon längst die hehrsten und besten der Musen liebend umschlangen? Dessen sanfte Poesie mir von jeher behend und klug, wie die Schlange, aber harmlos und sanft wie die reine Taube erschien? – Aber still von allen literarischen Grüssen! Jeder von Uns ist ein ehrlicher Manndas ist das beste – und, daß wir es sind, dafür bürgte Jedem von uns der göttliche Bettenburger – (ein holder Gewährsmann, dessen theures Bild jetzt so viele redliche deutsche Herzen im Norden und Süden einander vereint hat, als an seinem schlugen!) und so fanden Wir Uns – und so nehme ich die liebevoll dargereichte Hand mit Entzücken an und drücke sie im Geist an das innig bewegte Herz. Kann ich Euch, Ihr holden Seelen, nicht geben, was Eure Liebe vermag, so nehme ich doch Alles an, was Ihr mir zusagt – und, verdiene ich Eure Liebe nicht, so bin ich ihrer doch von Herzen bedürftig.

Ach, ich ward bisher in mancherley Stürmen umgetrieben – aber Truchseß, (in dessen Nähe ich stets eine gewisse stille Ruhe und Sicherheit empfinde) erschien, und mit ihm die beiden trefflichen Vösse und der gewandte Abeken – und sie haben mir die Ostertage zur halcyonisch heiligen Zeit umgeschaffen, die ich nie vergessen werde, und die durch Ihre so gar anmuthige Epistel sich endlich wieder zur alten Freudenzeit belebte. Gott lohne Ihnen das, verehrungswerther Mann!

An Heinrich Voß habe ich (unter uns gesprochen – doch gern hätt' ich es ihm ins Gesicht gesagt!) mehr einen Engel, als einen sündigen Menschen zu finden geglaubt. Ich wüsste nicht, daß ein Gemüth und eine menschliche Gestalt zugleich, mich jemals so voll und rührend angesprochen hätte, wie |2 dieser wunderliebliche Mensch. Die Schönheit seines Herzens erschien mir bis zum Pedantischen göttlich! (Verzeihung – ich weiß mir dießmal nicht anders zu helfen, als durch einen neugenialen Ausdruck!) Leider konnte ich allen den Lieben dießmal wenig oder nichts seyn und geben, weil mein Herz noch erst durch Ihre Liebe erheitert werden musste. Und zuletzt, da wir die Herzen noch so voll hatten, ward unsere Abschiedszusammenkunft gar unangenehm gestört. – Desto heisser konnte ich ihm nachweinen, dem neuen – Freunde.

Ach, zu Euch, Ihr guten Seelen, kann ich auf Erden nun nicht mehr wandern – denn schon hat der Alles zusammenrufende Mohrentrompeter der Zeit auch vor meinem irdischen Quartiere die ersten (hellschmetternden, aber nicht schrecklichen) Stösse gethan. Aber trätest Du, Er, Ihr, Sie – einmal in der Abenddämmerung "an Truchseß Hand" in meine Hütte – (o wie himmlischrührend ist der Schluß, in welchem Ihr theurer Brief verhallt!) das wäre der abenddämmernden Seele ein süßer Sonnenstrahl! – – –

Ewig

Ihr

getreuer
JEWagner.

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Friedrich Haug. Meiningen, 16. April 1811, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1097


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 4°, 2 S. Auf S. 4 Adr.: An | Haug, den Guten.

Überlieferung

D: Dresdner Morgen-Zeitung, Nr. 91, 7. Juni 1827, Sp. 724 f.

D: Corin, S. 404-405 (geringe Abweichungen).


Korrespondenz

B: Von Friedrich Haug an Johann Ernst Wagner. Stuttgart, vor dem 6. März 1811

Beide Drucke geben fälschlicherweise den 6. April 1811 als Abfassungsdatum an.