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Heidelb. d. 31 August 1811

Schon drittehalb Stunden bin ich mit dir beschäftigt gewesen, du lieber, lieber Truchseß, und ich hoffe die Beilage soll dir ein anschauliches Bild vom ersten Acte des Correggio geben. Im 2ten und 4ten Acte kann ich manches überspringen; aber den 3ten und den 5ten Act erhältst du eben so excerpirt, wie den ersten – Wenn du diesen Brief hast, ist schon eine andere Ladung unterwegs. Laß dir ja nicht einfallen zu glauben, das Excerpiren raube mir Zeit u. drgl. Erstlich; ich schreibe eine sehr schnelle Hand, und wie der Wind ist eine Seite herunter; und zweitens, was die Hauptsache ist, die Stunden meiner Erhohlung, die ich meinen Geliebten in der Ferne weihen kann, sind mir die liebsten – drum ich auch so gerne einsam bin, um mich in schöne Erinnrungen versenken, und in ihnen schwelgen zu können.

Du lieber Truchseß, einen Brief erhältst du heute nicht; auch von meinem Vater nicht, der mitten im Processe steckt. Dieser Proceß kömmt mir recht lustig vor. – Ich danke indeß dem lieben Gott, daß ich kein Advokat geworden bin. Auch die besseren unter ihnen, vertheidigen mitunter für Geld und gute Worte, den Teufel sammt seiner Großmutter. – Gott dienen aber es auch mit dem Teufel nicht ganz verderben wollen ist die Losung der meisten Themisschüler.

Gesund sind wir alle; aber sei du es auch, du theurer Alter. In der That, dein Halsweh macht mich manchmal besorgt, weil es mehrmal wiederkehrt. Das soll dich nicht ängstlich machen, aber vorsichtig; und der jüngere hat auch schon mal recht dem älteren ein cave zuzurufen. Halte dich tapfer |2 in der Winterzeit. Im Frühlinge sollst du recht von uns gehegt und gepflegt werden. So groß du auch bist, wir wollen dich doch schon auf den Händen tragen. Lieber alter prächtiger Truchseß, wie freue ich mich auf die Zeit.

Jean Paul hat mir noch nicht den Empfang gemeldet, doch eher schreib ich an Wagner nicht. Erhältst du unterdeß Gelegenheit etwas an ihn gelangen zu lassen, so bitte ihn mir die nächste Fortsezung des Jes. von Naz. sobald wie möglich zu schicken oder wenn die bei Griesbach sein sollte, die dritte Lage. Griesbach bei seiner Schwächlichkeit wird so nicht viel daran kommen? – Wagnern geht die gehörige Kenntnis des Originals ab. Ich wollte ihm hier gern zu Hülfe kommen, allein meine Kenntnis des Grundtextes ist, da er hebräisch-griechisch ist, u. ich so blutwenig Hebräisch weiß, auch nur eitel Stückwerk. Da wärs herlich, wenn Wagner Griesbach in dieser Hinsicht zum Führer bis ans Ende behielte. – Auch unser Schwarz könnte Griesbach nicht ersezen, da er reicher an geistvollen Ansichten als an Gelehrsamkeit ist, eigentlich auch mehr Homiletiker, Katechet u. Pädagoge als gelehrter Theologe. – Mein Vater soll u. will die zweite Lage gewiß durchsehen. Jezt ist er für den Professor recht eingenommen, und da thut ers um so lieber.

Frau von Rüdt erwarten wir noch immer. Gott gebe nur ihrem Vater die völlige Genesung, und recht bald.

Grüße alles was deinen Namen führt, vor allem meinen lieben Wilhelm.

Deinen Hausgenossen allen empfiehl mich bestens. Auch dem Herrn v. Schuler, wenn du ihm schreibst, grüße vielmal. – Ich will eilen, dir bald das Ende des Correggio zu schicken – das ist gar tragisch, aber sanft tragisch – ein wahres Stück im Moll-Ton, helldunkel gehalten, wie Correggios Gemälde. Leb wohl du theurer Truchseß.Dein H. Voß.

Zitierhinweis

Von Heinrich Voß an Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen. Heidelberg, 31. August 1811, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1107


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Textgrundlage

H: Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg. König),
1 Bl. 4°, 2 S.