Von Johann Ernst Wagner an Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen. Meiningen, 10. September 1811, Dienstag

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Meiningen den 10n Sept. 1811.

Prachtvollester von allen Freunden!Sage mir doch, gute Seele, nur ein einzigesmal mit einer einzigen Zeile, wie es Dir geht, und ob du mich noch liebst! Ich sehnte mich noch nie so oft und innig nach Dir, als jetzt in den silbernen Morgenschleyern dieses herrlichen Herbstes, unter welchen ich mir stets das holde Gesicht deiner alten Bettenburg unwillkührlich denken muß. Schöne B.! Schönerer Ritter!

Gestern sah ich den guten Schuler mit Herrn v. Handstein eine Viertelstunde bey mir.

Wegen des Bedientens schrieb ich Dir verabredetermasen nichts, da er nicht für Dich war . Sein Organ tönte und gurgelte das allerärgste Schulmeistergequack hervor, was man hören kann – und die Schrift war zwar gut, aber viel zu langsam für einen Diktator. Kurz, ich konnte keinen Augenblick anstehen, Dir ihn nicht zu schicken.

Isidora ist in Cotta's Händen – und ich habe nun keine Sorge mehr für die theure Prinzessin, als daß man sie etwa zu heftig anfasse, niedersetze und ihr Leibesfehler andrucke! Gott möge mein reines Kind gnädig bewahren! – Ich bin ruhiger über sie als über irgend eins meiner andern Werkchen – auch in Rücksicht des guten Cotta's – denn sie ist für Jedermann unter den Gebildeten.

Meine Jungen sende ich nicht , Du Engel! Denn sie versäumten mir schon über dem Liebenstein zuviel. Aber sage mir doch, wann (und womöglich welchen Tag) Du nun wieder zu uns kommst – denn ich muß doch nun wahrlich Dein Portrait haben! Es ist wahre Sünde, daß ich meinen |2 Jungen für andere Leute arbeiten lasse und selbst immer noch auf die gute Gestalt warten muß! Ach komm doch bald, Du Theurer!

Tausend Grüsse an das gute wirthliche Klärchen und den lieben Schmidt ! (Übermorgen kommt unsre Herrschaft zurück .)

Ewig
Dein

allertreuester Freund
JEWagner.

Die lieben alten Vösse hat Anton, da er seine schwarze Kreide verliehen hatte, nur skizziren können – doch gewährt es mir einige Reminiszinz.

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen. Meiningen, 10. September 1811, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1109


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Textgrundlage

H: Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg. König),
1 Bl. 4°, 1½ S.

Überlieferung

D: Briefe über den Dichter Ernst Wagner, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 2, Schmalkalden: Varnhagen 1826, S. 159–160 (gekürzt, ungenau)

D: Ernst Wagner’s sämmtliche Schriften, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 12, Leipzig: Fischer 1828, S. 259–260 (gekürzt, ungenau).