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Weimar, 2t. Febr. 1812

Wie soll ich Ihnen, Theuerster Freund, den Schmerz genugsam ausdrücken, den ich über die Nachrichten von Ihrer Krankheit, welche ich erst vorgestern durch Frau von Stein erfuhr, empfand! Nur durch die Versicherung Ihrer täglichen Beßerung ward es in etwas gemildert; aber du was müßen Sie nicht ausgestanden haben? Könnte ich doch gleich zu Ihnen eilen, um mich zu überzeugen, daß Sie nicht mehr so sehr leiden, um Ihnen meine innigste Theilnahme zu beweißen. Wie wenig kann man doch dem Freunde in der Entfernung seyn!

Längst schon hätte ich Ihre freundlichen Zeilen, mit denen Sie mir die liebliche Thémar , die auch hier die beste Aufnahme fand, |2 beantwortet, wäre ich nicht in der Hofnung gestanden, selbst bald nach Meinungen, wenigstens durchreisend, zu kommen. Der böse Schwendler hat mir aber auch in 6 Monaten, selbst in unsern dringenden Geschäfts Angelegenheiten keine Antwort gegeben, so daß alle meine Pläne daran scheiterten.

Wie beständig mich Ihr Andenken begleite, beweise die Anlage. Ich fand auf fremden Pulte eine Composition Ihrer herrlichen FrühlingsNacht ; "vielleicht kennt mein Freund sie noch nicht" dachte ich, u. ließ sie gleich abschreiben.

Ich lege noch eine Kleinigkeit von mir bey, weil ich weiß, daß Sie bey Ihrem Hierseyn die melancholisch sanfte Silber |3 stimme der damaligen Grosfürstlichen Hofdame, Marie von Berg, jezt Frau v. Ziegesar, (vorzüglich in Rußischen Gesängen) so entzückt lobten. Gestern sahen wir Romeo u Julie nach Schlegels Übersetzung, und bearbeitet von Goethe, zum 1.ten mal.

Ein herrlicher Genuß, dieß glühend Liebe athmende Stück so treflich gespielt zu sehen!! Auch die [...] war vortreflich.

Goethes Leben lasen Sie doch schon ? Bald wird der 2.te ud. 3.te Theil erscheinen . Das grose Publikum verkennt hier oft den reichen Innhalt, Gewöhnliches nur scheuend, wo die tiefsten Keime des wundervollsten innren Lebens zartsinnig ausgestreut sind. O wie bin ich auf Ihre Isidora begierig! Leider wird das Mißgeschick |4 Ihrer Krankheit auch diese holde Erscheinung verzögert haben.

Was sagen Sie denn zu Studnitzens Heurath? Seine Braut ist ein trefliches, höchst edles Weesen , die ich von jeher sehr schäzte.

Diesen Frühling, Theuerster! besuche ich Sie gewiß, machen Sie nur, daß ich Sie wieder recht wohl und heiter finde . Wenn das Schreiben Sie incommodiret, so laßen Sie mir nur durch einen Ihrer wackren Söhne, von deren raschen Kunst-Vorschritten ich so viel Schönes höre, Kunde geben von Ihrem Befinden. Aber darum bitte ich recht innständig! Meine gute Frau hat recht innigen schmerzlichen Theil an Ihrem Leiden genommen, sie sendet Ihnen die treusten, herzlichsten Wünsche zur gänzlichen Genesung. Und alle Freunde u. Freundinnen, deren Sie nicht wenige hier haben, stimmen aus voller Seele mit ein. Adio, Theuerster, Bester! Gott sey mit Ihnen! Ewig der Ihrigste, FrMüller

Zitierhinweis

Von Friedrich von Müller an Johann Ernst Wagner. Weimar, 2. Februar 1812, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1118


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Textgrundlage

H: Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg. König),
1 Dbl. 4°, 4 S.