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M. d. 18ten Xecbr. 1814

Wäre H. v. Könitz nicht seit einiger Zeit unpäßlich, so hoffte ich Ihnen, mein theurer Freund, das bewußte Hardenbergische Product überreichen zu können. Da er aber jetzt nicht zugänglich ist, so begnügen Sie sich für heute mit anliegenden Blättern meines S . Aber, Lieber, wo soll denn das hinaus? Schwendler schreibt mir heute , mit den Lerchen wenn nicht gar mit den Nachtigallen würde er wohl rückkehren . Das ihm das Ungewiße und Schwankende in keine angenehme Stimmung versetzt, können Sie ihm wohl nachfühlen, obgleich seine privat Verhältniße durch mehrere neuerdings gemachte intereßante Bekanntschaften sehr angenehm sind. So gewiß die Monarchen auch immer noch zu Frieden sein sollen, namentlich Oesterreichs würdiger Herrscher, wie ihn Schwendler vor allen andern nennt, so fürchtet er doch das Schwerdt würde endlich den Ausschlag geben. Um nun wo möglich dieser fürchterlichen aller Untat entgegen zu arbeiten, darf eben jetzt weder Zeit noch Mühe gespahrt werden, und weltbügerlich |2 gesinnt, darf ich also Schwendlers' schnelle Rückkehr gar nicht wünschen weil dann wohl nichts oder das Schlimmste der Krieg eine Folge sein würde.

Meine Gesundheit ist beßer, meine Seele aber gedrückt, weil ich von meiner lieben Amanda aus Berlin gar keine günstige Nachrichten habe. Sie fühlt sich unendlich unglücklich in der Nähe ihres Vaters, und muß wenigstens einige Monathe bey diesem Unhold ausharren. Dann aber werde ich sehr ernstliche Mittel brauchen um sie mir wieder zu hohlen; für den Augenblick kann ich es noch nicht weil A. selbst wünscht um ihres Bruders und ihrer jüngern Schwester willen, etwas klarer auch in die Oeconomischen Verhältniße zu blicken, da bey der Verrücktheit und Schlechtigkeit des Grafen ihn auch schlechtes Gesindel umgiebt, und wir von mehreren Orten her, sind aufmerksam gemacht worden, sein Vermögen sey in größter Unordnung und Abnahme. Sie sehen, lieber Müller, daß es dem Himmel gefällt, Ihre Freundinn in einem fortgesetzten |3 Prüfungs Zustande zu erhalten! – Hoffentlich beginnt auch einmahl eine freudigere Zeit für mich. Wird Frau v. Wollzogen wohl diesen Winter noch her kommen? erforschen Sie es mir gelegentlich, mein theurer Freund. Ich möchte durch Fr. v. W. nach Paris an den Grafen S. schreiben, sie aber vorher sprechen oder ihr deshalb schreiben.

Der südliche Winter behagt mir gar nicht, ich habe heute in meinen Berg blühende Erdbeeren gepflükt, mich aber nicht derer ergötzt, weil mich alles Unnatürliche in der phisischen und moralischen Natur erschrekt. Die alzufrühen Blüthen geben keine Früchte, Himmel, wenn wir das nur nicht am Wiener Congress erleben.

Lesen Sie, Natalie von Caroline Foqué, viel Wahrheit über das weibliche Herz, eine schöne Sprache und wenngleich mit unter grel, aber herrliche Zeichnungen. Ich freue mich auf Corona und meines Landsmanns Gedichte, nur leider bekomme ich hier alles sehr späth.

Gruß und Liebe

die Ihrige.

Henriette S.

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Friedrich von Müller. Meiningen, 18. Dezember 1814, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1123


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Textgrundlage

H: GSA, 68/540, Bl 25-26
1 Dbl. 8°, 3 S.