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Eisenach. d. 27ten July 1817.

Entschuldigen Sie, mit Liebe, theuerster Freund, die späte Beantwortung Ihrer letzten freundlichen Zuschrift! – Eine Reise zu meinen Kindern nach Schleusingen und wie es dann bey der Rückkehr der Hausfrau zu gehen pflegt, große und kleine Häuslichkeiten traten, mir bis jetzt störend in den Weg.

Mit großer Freude haben wir gestern von Eglofstein vernommen, daß, – nach manchem Unangenehmen was Sie in oeconomischer Hinsicht betroffen hat und welches wir, ohne es zu erörtern, redlich theilen, – Ihre schöne heitre Ansicht des Lebens wieder ihr altes Recht behauptet, daß Sie freudig einer angenehmen Reise entgegen gehen und unsrer gedacht haben. Laßen sie nur ums Himmel willen, keinen äußern Unfall auf Ihre Gesundheit ungünstig einwirken, allem Andern können Sie gebieten!! – – –

Nicht so bedeutend wie Sie, geliebter Freund, aber Erfahrungen der Art wie Sie jetzt machen, habe ich auch gemacht. Mein Vermögen war nie groß, ich konnte also auch nicht so bedeutende Unfälle wie Sie jetzt dabey erleiden; höchst unangenehm sind diese Dinge, namentlich für Personen die sich gestehen dürfen, daß sie im rechten Sinne den Werth irdischer Güter erkennen.

So gern ich glaube, daß sie beruhigt sind, so sehne ich mich |2 dennoch, es von Ihnen selbst nur durch zwey Worte zu erfahren. Einen Freund, in seinem Gleichmuth und seiner gemüthlichen Lebens Ansicht, durch ernste, wiewohl jämmerliche Zahlen Angelegenheiten unterbrochen zu wißen, ist gar schmerzlich. Dann wird mir Weimar unerträglich fern von hier; denn ehe durch Papier und Siegel Theilnahme gewechselt wird, hätten ein paar Augenblicke von Mund zu Mund, manche Besorgniße gehoben.

Von Adalbert wißen wir gute Kunde, unser Hausgenoße Herr von Könneritz hat ihn vor 8 Tagen in Schnepfenthal gesehen. Seine Aeußerung, er müßte noch lernen das Elterliche Haus zu vergeßen, hat mir wohl gefallen, dem kindlichen Gemüth muß das Vaterhaus über alles gehen. Er soll wohl aussehen und sich mit seinen Kameraden gut stehen. Behalten wir gutes Wetter, so sehe ich Ihren lieben Sohn noch selbst in diesem Sommer, eine Wanderung nach dem Inselsberge wird mich über Schnepfenthal führen.

Ihre Reise nach Karlsbad und Eger sehe ich blos als eine Erholung und Vereinigung mit Freunden für Sie an. Als Cur mag ich sie mir nicht denken, denn auf Ems und Schlangenbad paßen ja jene Bäder nicht. Nicht wahr, liebster Müller, Sie zürnen meiner Aber Weisheit nicht, sagen muß |3 ich es, ohne Vorwißen eines Arztes und des Brunnen Arztes an beyden Orten trinken Sie nicht. Karlsbad greift entsetzlich an namentlich die Brust; Eger weniger, aber doch auch.

Unser nahes Liebenstein ist sehr besucht, aus den entferntesten Gegenden hat sich ein intereßanter Cirkel gebildet. Das neue Fußen der Quelle hat die Kraft des Brunnens sehr verstärkt, unser Arzt der selbst dort ist, spricht mit großer Ehrfurcht von den Eigenschaften des Liebensteiner Waßers. Was ich immer behauptet habe, trift in diesem Jahre ein, das Entfernen des Hofes giebt der Gesellschaft ein viel freyeres und froheres Leben. In Ems soll es unertraglich seyn, unser guter General Superintendent Nebe, führt die bittersten Klagen über die Steifheit der dortigen Gesellschaft.

Schwendler will meine Feder, die glücklichste Reise und Wiedersehen –

Mit großen Entschuldigungen meines Schweigens auf Ihre wiederholte gütevolle Aufforderung zur Unterbrechung desselben muß ich allerdings beginnen, – doch ich bin verwöhnt durch Ihre Nachsicht.

Sie wollten nähere Kunde davon haben, wie die Anwesenheit unseres |4 verehrten Großherzogs mich influenzirt und in Bewegung gesezt hat. Interessanter noch wird es Ihnen werden, mich darüber zu hören, wenn ich Ihnen zwar sage, daß während seines ganzen Hierseyns nur ganz Unbedeutendes der Gegenstand unserer Unterhaltung war, – daß ich auf Anfrage und Vorträge über mir wichtigere Dinge p – kaum einiges Entscheidende erfuhr und daß ich mich dadurch zum Theil ganz getäuscht oder unangenehm betroffen fand.

Der Zufall wollte, daß ich in Vach zuthun hatte und deshalb den Tag der Abreise des Großherzogs erwählte, wo ich ihm zuvoreilte und ihn in Vach mitempfing, wo sich allerley herbeygeführt fand, was ihm die Aufforderung eingab, mich bis Buttlar mitzunehmen. Dort erhielt ich die weitere Ordre mit nach Ostheim zu gehen, was mich wirklich ein wenig genirte, da ich blos war wie ich ging u stand; allein ich wurde sehr belohnt durch die sich von da an zeigende Theilnahme des Großherzogs an allem, was ich vorzubringen Gelegenheit nahm und durch seine Milde, seine wohlwollenden Aeusserungen und selbst durch vertrauten Mittheilungen u Eröffnungen, wobey ich überall zugleich den Kabinetsrath und Referendar in Gnadensachen u bey der Ueberschwemmung mit Gesuchen, Beschwerden u Klagen zu machen hatte. In Ostheim war Serenissimmi sichtbar bewegt über die Beweise der treusten u innigsten Anhenglickeit, nach 22 jähriger Abwesenheit. Er gab deshalb einen Tag dort zu und suchte dadurch seine Empfänglichkeit für die ihm ausgesprochenen Empfindungen zu erkennen zu geben. Dort erhielt er Briefe von der Marggräfin, die meines threuen |5 Freundes Müller wohlwollend gedenkend, die Nachricht vom Verkauf der Adewls Güther mittheilte und den auf sie kommenden Kaufgeld-Antheil den Großherzoglichen Landessachen darbot. Diese Artigkeit bestimmte den Großherzog zu der, – die gnädige Tante selbst en passant aufzusuchen u so entstand der Abstecher nach Erlangen.

Ich habe mich mit noch mehr erhöhter Verehrung für unsern so ausgezeichneten Großherzog von Ihm getrennt u bin dann eiligst hieher zurückgekehrt, da unser Erbgroßherzog am folgenden Tage hier ankam u die Großfürstin mir in Ansicht der Industrie Schule für junge Mädchen auf dem Land mancherley zu sagen hatte. In dieser Hinsicht verdient sie für den regen Eifer, nutzen zu wollen gewiß die größte Achtung und dankbarste Anerkennung.


Von einer Woche zur andern haben wir hirauf Ihr und Ihrer verehrten Gemahlin Hieherkommen erwartet – und nun sind wir, nach deshalb verschwundener Hoffnung, mit immer sich wiederholenden Nachrichten von der Ankunft unsers ehrwürdigen Geheimraths Vogt hingehalten und getäuscht worden. Sagen Sie mir doch: ob er sich im Zustand befindet, diese Hoffnung noch zu erfüllen, da wir so noch dabey interessirt sind, ihm die vorzüglichsten Beweise unserer treusten Ergebenheit u Verehrung über zu bringen.

Auch der Graf v Edling soll der Sage nach schon ganz |6 in unsrer Nähe weilen, auf dem Wege von Ilmenau zu uns, aber wir wissen nichts näheres von ihm.

Vom Wiederkommen unsrer höchsten Herrschaften können Sie uns wohl am ersten etwas Bestimmteres zu sagen; am meisten wünsche ich von Serenissimi Wiederkommen zu wissen, da einige Aufträge von ihm mich nöthigen, ihm manches vorzulegen. Ich bitte daher bey Ihnen, mein gefälliger Freund, darum.

Herrn v. Hendrich hoffe ich in den ersten Tagen wiederzusehen, – wahrscheinlich in Liebenstein; auch unsern Martin erwarten wir noch seinem Versprechen gemäß u ich habe ihm viel schönes zu sagen, für das schöne was er der Landes Direction, unverdiente Weise, gesagt hat.

Unsere besten Wünsche begleiten Sie zwar nach Carlsbad – aber lieber hätten wir Sie doch in Liebenstein gesehen. Ich stehe übrigens jezt ziemlich verlassen da. – Ridel ist heute zu einer 7 wöchentlichen Schweizer Reise abgegangen und Töpfer – seit 18. Tagen in Bruckenau, wohin ihm Ihr Herr Bruder gefolgt ist, u in dieser Woche nach Fulda zu seinen Commissions Geschäften zurückkehren u Töpfer ihn dahin begleiten wird, um dann sich wieder hier einzufinden.

Danken Sie nur dem Himmel mit mir, daß die ungeheure Noth ein Ende nimmt, unter der wir bisher geseufzt haben u die mich besonders beynahe ganz beschäftigt hat. In Weimar |7 haben Sie gar nicht Gelegenheit gehabt, sich davon einen Begriff zu machen – u je mehr nach Süden – desto größer war die Noth. So ganz gegen die sonstige Regel!

Es gehört wirklich zu den traurig intressanten Erscheinungen, daß sich so etwas in dem gesegneten Franken, am Rhein, in Baiern u Würtemberg ereignen konnte. – Die Folgen einer nochmaligen Mißerndte wären aber auch unberechenbar gewesen!. Ich hätte an Bauernkrieg, Pöschelianismus u Revolution geglaubt!

Doch – nun schwinden die Sorgen mit dem reicheinkehrenden Seegen der Erndte.

Vom Herrn M. v Fritsch hatte ich viel schlimmes gehört, – er sollte sich schlechter befinden, als jemals aber in seinem heute eingegangenen Brief an mich sagte er mir kein Wort davon, – und daß er noch 8 Tage nach Schwalbach gehen u bis zum 8ten oder 10ten August zurück kommen wolle.

Wann dürfen wir Sie denn wieder in W. erwarten? Bleiben Sie nur nicht zulange, u kommen Sie, wie vorm Jahre, gestählt und ermuthigt vom heilenden Quell zurück u – bald auch zu uns.

Gruß u Hochachtung – treue Ergebenheit u Dankbarkeit wie immer von

Ihrem

S.

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler und Friedrich Christian August Schwendler an Friedrich von Müller. Eisenach, 27. Juli 1817, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1130


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Textgrundlage

H: GSA, 68/540, Bl 31-34
2 Dbl. 4°, 2¾ S. von Henriette Schwendler, 4¼ S. von Friedrich Christian August Schwendler.