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Weißenfels 29. Septbr. 1826.

Mit Vergnügen würden wir bereits von den "zufälligen Gedanken" der geistreichen E. R. für das Nachtbl. Gebrauch gemacht haben , wenn die Verlagshandlung über den Verfasser uns nicht bis heute in Ungewißheit gelassen hätte . Es soll nun nächstens geschehen. Dagegen bitten wir um Entschuldigung, wenn wir das Bittschreiben des Februar , so viel Laune u. Witz auch darin enthalten ist, zurücksenden zu müssen glauben, weil es – nicht an die rechte Behörde gerichtet ist. Die Sonne würde, wie die Großen pflegen, darauf antworten: Das ist nicht meine Sache, Bittsteller hat sich an die Instanz zu wenden. Ich gebe der Erde jährlich in höchsten Gnaden circa 365 Tage, und bekümmere mich nicht darum, wie die Kalendermacher der Erde dieselben unter die Monate verteilen. Das wäre allenfalls Sache des Kammerdieners meiner zweiten Hofdame, des sogenannten Erdmondes, von welchem die Monate den Namen haben. – Hochachtungsvoll

Die Redaction des Nachtblatts.

Bittschreiben des Monats Februar an die Sonne, um Vollzähligkeit seiner Regiertage.

Ew. kaiserliche Majestät!

vergeben, daß einer höchst Ihrer Vasallen, mit einer Bitte zu Ihrer allbekannten Güte kommet, sonst eines jeden Wunsche nimmt, indem sie mehr gibt als diese verlangen. Aber es bleibt mir wie einem den – die in ihrer Ungenügsamkeit den Bürgen ihrer Unsterblichkeit sehen wollen – noch ein Wunsch übrig, bei aller sonstigen Armuth daran. Nämlich der der Vollzähligkeit meiner Regiertage, welcher Bitte um so gerechter ist als ich der einzige unter uns zwölf Rittern der Tafelrunde bin, der durch solches Verkürzen zu kurz gekommen.

Ich kann mir nicht denken, daß Ew. Majestät unzufrieden mit mir ist, da ich immer ein treuer Lehnsträger war, eben so wenig können es die Men Menschen sein, ich gebe ihnen ja am Ende meines Monats lauter Feste und Freuden, und hebe sie mit diesen ein wenig über die Erde empor, denn wer nicht Engelsfittiche hat zu Aufschwingen, kann wenigstens n m icht ein |2 Paar Merkurflügeln sich erheben. Ich weiß also nicht, warum die ausübende Gewalt nicht eben so lange in meiner ist, als bei den übrigen Duodezreviere.

Fast möchte ich glauben, daß meine beiden Vor- und Nachgänger, Januar und März, zwei meiner Regiertage an sich gerissen, da Beide einen Tag über die Durchschnittzahl Dreißig am Steuerruder der Erdachse sitzen, was zwar bei meheren meiner Brüder der Fall ist, aber doch steht dann kein armer beraubter Achtundzwanziger dazwischen. Rechneten freilich die Menschen noch die Menschen nach Olympiaden, so wäre der Verlust kleiner, da drei Jahre Kapital mir einen Tag Zinsen abwerfen, aber so merkt ihn jeder, zumal bei ihren Zahlenaberglauben, den auch schon einer ihrer Philosophen, Kant anführt. So geht bei ihnen z.B. die Drei als heilige Zahl durch die Geschichte, die Gott- und Götterlehre. Die Zwölf als vervielfachte Drei, ist von ihnen, wenn auch nicht, wie diese heilig, doch selig gesprochen, wozu Ew. Majestät eignes Beispiel sie berechtigt, indem Sie Ihr großes Reich uns zwölf Wahlfürsten, nämlich gewählten, zur Verwaltung übergeben. Außerdem tanzt noch der zwölf M Mann hohe Thierkreis seinen seinen |3 Fackeltanz um uns herum. Die zwölf kleinen Propheten, die zwölf Könige von Juda, als Häupter ihrer Stämme, die zwölf Apostel, die, da einer abfiel, durch Bekehrung eines Heiden ergänzt werden mußten, alle stehen als Brüdergemeinden da, und verschaffen der Zwölf das Bürgerrecht bei den Menschen, so daß bei ihnen nur zwölf an Einem Tische sitzen dürfen, der dreizehnte, glauben sie, stirbt. Und daß für sie der letzte Schlag der Mitternachtstunde immer einen Kometenschweif von geistern sich nachzieht, wissen Ew. Majestät.

Die Sechs theilt wieder, wenigstens zur Hälf Hälfte den Werth der Zwölf, was abermals Ew. Majestät veranlaßten durch die 6000jährige Gründung Ihres Reichs Ihrer Erde, so wie durch die sechs Tage ihres Erschaffens, denen die Menschen wieder sechs des eignen Schaffens nachbildeten. Ihre sprichwörtlichen Redensarten zeigen am besten, wie hoch die Sechs bei ihnen angeschrieben, denn die Sieben ist schon vom Uebel und dieses selber, so wie auf der andern Seite die Fünf im Mißkredit steht, um ihr eignes Rad am Wagen ist, sie widersprechen hier ihrem Sprichwort und lassen fünf nicht gerade sein.

Aber was von der Drei, Zwölf und Sechs bei den Menschen gilt, das gilt eben so gut von |4 der Dreißig bei uns Monaten, und wie können jene einen Regenten achten, der nicht einmal bis dreißig zählen kann, und der, da bei den Juden keiner vor dem dreißigsten Jahre lehrfähig ist, in ewiger Mindertägigkeit, d. h. Minderjährigkeit, d. h. Mindertägigkeit bleibt, und ihnen also regierunfähig erscheinen muß? Ich bitte Ew. Majestät das zu bedenken, gewiß Sie werden mir Vollmacht zu voller Macht ertheilen. Könnten Sie nicht meinen beiden Nachbarn die überzähligen Tage nehmen und mir geben? Oder den April etwas früher abtreten lassen, dem es, bei seinem wunderlichen Charakter, wol gar noch Freud Freude machen würde, könnte er die Leute, die sich bisher immer in den April geschickt, und Narren kreirt, auf einmal hinein schicken durch Hinausjagen und Hinweisen auf mich?

Auch mit meinem Wappen, die Fische, allergnädigste Kaiserin, bin ich nicht ganz zufrieden, da es als ein redendes auch zum reden Anlaß gibt. Denn wenn ich auch die Leute im Trübe Trüben fischen lasse, und mir dabei nichts als das Trübe selber ins Netz kommt: so sagen sie doch ich mache ihnen faule Fische vor, indem ich mit lauen Lüften den Schnee scholze schmölze, und Knospen |5 aus Bäumen Sträuchen und Blumen aus der Erde, und damit ihre eignen Hoffnungen auf den Frühling hervor riefe, ihn aber dann wie ein Taschenspieler die Blume unter der Glasglocke, eben so schnell verschwinden lasse als ich ihn entstehen machen. Aber daran ist niemand Schuld als der hämische März, der wol einiges Ausmärzen von Ew. Majestät verdiente, und dessen Prügelknecht ich überhaupt immer bin.

Denn während die Erde in und die Menschen mnit Hoffnungen dastehen: kommt der schadenfrohe März und schüttelt allen Schnee h den er hat hera herab, und treibt damit wieder alles zurück. Wenn ich ihn dann frage warum er in meine Wirthschaft immer ein Ei legt, nämlich seinen Schnee, antwortet er mir daß er es aus Galanterie gegen die Damen thäte, als deren weiße Schminkdose er sich überhaupt ansähe, da sein Schneewasser das beste Schönheitswasser für sie wäre. Und so ist es Wasser auf seine Mühle kann er meine Plane dazu machen. Ich glaube die Satyre haben einen Reigen um meine Wiege aufgeführt, weil jetzt die Satiere ihren Veith Veitstanz um mich hält.

Uebrigens ist der Grund den der März zu seiner Entschuldigung anführt, ohne einen, denn der Minister des alten Januar, Wassermann, sorgt genug für Schnee, das weiß ich aus der Mühe die mir sein Wegräumen macht, und der wird wol nicht schlechter sein |6 als des März seiner. Und dann wäre er so aufmerksam gegen die Damen als er sagt: so würden diese sich wol nicht so vor ihm fürchten, daß sie kaum den Muth haben ihn ins Gesicht zu sehen, und vom ersten bis zum letzten seiner Regiertage dicht verschleiert gehen.

Ueberhaupt hat der März zu viel Macht, denn außerdem daß er Großmeister des goldnen Vließes ist, und das Volk seinen Widder für den Leithammel der übrigen Frühlingsmonate ansieht, und der Tag und die Nacht unter seinem Schutz wieder Gütergleichheit der Stunden bestimmen, die aber nicht halten – (weshalb zweimal des Jahrs großer Zank ist den die Menschen Aequinoktialsturm nennen – sollte übrigens als Musterehe dienen, da in andern solche Stürme leicht zu Passatwinden werden – und aus dessen zwölftägiger Dauer die Wetterpropheten ihre Schlüsse ziehen): ausser allem diesen weiß er auch den Junius so zu beherrschen, daß alle Wolken die er auf die Erde niederläßt, für diesen ein telegraphisches Zeichen sind sie während seiner Regierung zu Gewittern zusammen zu ballen und damit zu donnern. Daß die Menschen den Märzstaub für Schnepfendreck der Witterung ansehen ist bekannt.

Doch ich merke daß ich aus einem Klagenden ein Kläger werde, und daß ich mir dadurch erst das Misfallen zuziehen kann das ich vielleicht noch nicht habe. Ich schließe daher mit der wiederholten Bitte um Gewährung.

Ew. Kaiserlichen Majestät

treu ergebenster Februar.

Zitierhinweis

Von Adolph Müllner an Emma Richter. Weißenfels, 29. September 1826, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1160


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Textgrundlage

H: DLA, A:Richter, Johann Paul Friedrich
1 Bl. 4°, 1 S.


Korrespondenz

Zum Verfasser: Der mit "Redaction des Nachtblatts" unterzeichnete Brief stammt aus Müllners Feder, wie Schriftvergleiche mit eindeutig Müllner zuzuordnenden Briefen ergaben.