Von Emanuel an Caroline Herder. Bayreuth, 26. Juni 1800, Donnerstag

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Beste, würdigste Frau Präsidentin.

Mir scheint es sehr lange, moecht' es Ihnen nur die Haelfte so lange scheinen, daß ich schriftlich nicht bei Ihnen war.

Es kostet mich auch viel mich zu versichern, daß es am 13t des naechsten Julii erst 1 Jahr ist, daß ich Sie, würdige Mutter, zum ersten male auf dieser schoenen Erde sah, wenn ich bedenke u berechne was u wie viel ich unterdessen vollbrachte.

Doch ist mir's auch nur durch dieße schoensten Beweiße bei zu bringen daß es schon 1 Jahr seyn muß daß ich Sie gesehen, da mir dieser unvergeßliche Abend noch immer eben so lebhaft gegenüberstehet, als war's der gestrige gewesen.

Heute früh war ich durch einen Brief, |2 den ich heute von unserm braven Adalbert erhielt schoen und heiter gestimmt; aber ein so genannter Freund ließ mich nicht lange in dieser Stimmung: ich muß mich heute wieder gut stimmen und dazu brauchts nichts, als an den 13t Julii 1799. Abends zu dencken und an Sie zu schreiben.

Der Überbringer dieser Zeilen gab mir mehr als er verlangte indem er sie verlangte.

Es ist ein bei der hiesigen Rgg. angestelter wackerer Ausculator .

Er will Weimar passiren und moechte das Vergnügen haben Ihren Herrn Gemahl zu sehen – ich war mit so vielem nicht einmal zufrieden – und da er erfahren daß ich schon bei Ihnen war: so glaubt der gute Mensch, es waere besser für ihn wenn er zur Ausrede |3 oder zum Vorwand einige Worte von mir mitbraechte, die ich ihm gerade heute recht gerne gebe.

Mein Ziel ist schon erreicht: ich bin schon wieder heiter und schreib' ich noch einige Zeilen an Sie, so werd' ich – gut.

Unser Adalbert ist gesund und fleißig u mit seinem Zoegling vergnügt.

Seit 2 Monathen erhielt ich heute wieder den ersten Brief von ihm, der mich aber für mein langes Warten entschaedigte.

Ich reise schon ¼ Jahr zu ihm u doch bin ich noch nicht zu ihm gekommen.

Anfangs hielt mich ein Geschaeft, das ich bei Hof hatte 4 Wochen fest, seit einigen Wochen sind's die Franzosen die mir den Weg abschneiden.

Auf jeden Fall komm' ich in diesem Sommer noch nach Colmberg.

Waer's denn nicht moeglich daß Sie, Ihr |4 Herrn Gemahl, Ihre Dem. Tochter mit unserm Jean Paul ein mal nach Bayreuth reisen koennten, wenn Sie moechten?

In der naechsten Woche ziehet mein Christian Otto hierher , was müßte sich diese schoene Seele erhoehen wenn sie die? erlebte!

Sie sehen daß ich froh bin, dieß war kein Gedanke eines traurigen Emanuels.

Tausend Grüße an all die mir ewig lieben guten Ihrigen, worunter auch natürlich Vater Titan .
Moechten Sie Alle recht gesund und recht wohl seyn und moechten Sie, gute würdige Frau Praesidentin, wissen und sich überzeugen wie sehr ich Sie achte, liebe und verehre u wie wohl mir dieß alles thut.

Emanuel

Bayreuth, 26. Juny 1800.

N. S.
Der wackere Auscultator hat diese Zeilen nicht abgeholt. Nehmen Sie sie durch K. mit Liebe auf.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Herder. Bayreuth, 26. Juni 1800, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1210


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.