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Baireuth, am 30 Jun, 1801.

Liebe Karoline! liebe, liebe Freundin! Für Ihren Brief danke ich Ihnen mit der großen Freude, die er mir gemacht hat.

Ihre freundliche, herzliche Einladung hat mich innig gerührt und eben so innig danke ich Ihnen dafür.

Am meisten verdanke ich es Ihnen, daß Sie selbst, daß Ihre ganze Seele, daß ihr ganzes liebevolles Herz mich aus Ihrem Briefe angesprochen hat. Eben dadurch haben Sie mich im voraus und in eben dem Augenblikke, wo Sie meine Sehnsucht nach Ihnen, nach unsern Richter, nach dem Anschauen und nach dem Mitgenuß Ihres und seines gemeinschaftlichen häuslichen Lebens so sehr erwekt haben, getröstet, indem s S ie mich bei sich einheimisch gemacht, und mein Vertrauen auf Ihre Freundschaft, auf Ihre Liebe auf immer gesichert haben.

Ich kann jezt, wenigstens in Gedanken, so vertraulich, als ich es wünsche, mit Ihnen in Ihrer eigenen Wohnung von Zimmer zu Zimmer gehen, bis mir die Zeit u das Schiksal vergönnet, vor Sie zu treten, Ihre Hand in die meinige zu nehmen; Sie weniger zu führen, als mich von Ihnen führen und zu meinen Richter geleiten zu lassen; und bis wir beide, in gemeinschaftlicher Liebe, |2 schweigend, an dem verehrten Menschen zusammensinken und so das Fest unserer ewigen Vereinigung feiern.

Eben das Schiksal, auf das ich so sehr vertraue u das mich noch in diesem Sommer zu Ihnen führen soll, versagt es mir jezt, zu Ihnen zu kommen.

Eine unangenehme u beschwerliche Fußreiße macht mir die schönere zu Ihnen unmöglich. Herrn v. Wegmar in Bamberg ist 7 Meilen von mir entfernt , also über die Hälfte des Weges, den ich zu Ihnen habe, und den, könnte ich es, ich lieber zu Ihnen, als zur Aufsuchung eines Reisegefährten machen würde. Sollte er aber – was nicht wahrscheinlich ist – seinen Weg über Baireuth nehmen; so reise ich gewiß mit ihm zu Ihnen.

Indeß kann ich nichts besseres thun, als Sie bitten: kommen Sie zu uns!

Zu unsers Richters eigensten Leben gehört das Reisen, der vielfältigste Lebenswechsel, das vielfältigste Anschauen des menschlichen Thuns und Treibens. Zu seinem und zu Ihrem Leben gehört also jezt eine Reise nach Baireuth.

Wir stehen hier u warten mit Sehnsucht auf Sie und ich bin es gewiß, daß Sie mir meine Einladung verdanken wer |3 den, weil Sie, wenn Sie ihr folgen, unsern Emanuel kennen lernen werden, den seltenen Menschen, der sich, wenn er vor Ihnen stehen, mehr loben wird, als ich es thun kann.

Auch wird mein sehnlicher Wunsch erfüllet werden, nemlich der, daß Sie und meine Amöne sich in Liebe u Freundschaft begegnen. Diese grüsset Sie durch mich herzlich und dankt Ihnen eben so für Ihr liebevolles und achtendes Andenken.

Kommen Sie zu uns! Leben Sie recht wohl!

Otto.

Zitierhinweis

Von Georg Christian Otto an Caroline Richter, Bayreuth, 30. Juni 1801, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1228


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 2½ S.


Korrespondenz

B: Von Caroline Richter an Georg Christian Otto. Meiningen, 21. Juni 1801