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B. d. 27 Jun 2.

Dasmal schon ich nur mich nicht und ich nicht einmal mich selbst.

E. brachte mir dieses feine Papier, um darauf an Sie zu schreiben, und ich konnte nicht sagen: ich kann nicht schreiben. Wohl! ver st f anden Sie sich nicht in mich, und werden mich nie fassen, nicht mein unschuldiges Du, das ich Ihnen gleich Gott gab; nicht den reinen Sinn mit dem ich mich zuversichtlich, zu zuversichtlich, und das war Unrecht, hingab. Zuweil nehmen Sie mir, Thieriot, mehr als sich; mich selbst und den Glauben an mich, der sich gleichsam durch Sie in mir gehoben hatte.

Ich kann es nicht und nie sagen, was nun für mein ganzes Leben in mir untergegangen ist, was Sie mir raubten, aus mir und in mir, und wie es durch Nichts mehr zu ersezzen ist. Es ist nicht das, was Sie meinen, was Sie nicht geben können, gewiß nicht; aber ich kann es auch nicht sagen, wenn es nicht so verstanden wird. Wenigstens hätten Sie schonen müßen. Aber so sehr Sie für immer mein Gefühl verwundeten; eben so sehr ehre ich doch Ihre Freimüthigkeit, die es that. Ihr Brief liegt wie ein Testament, nie mehr zu erbrechen, unter meinen Sachen. Vernichten Sie alle die Meinigen , ich erbitt' ich verlang es. Daß es würde wie es vor Ihnen war, aber es kann nie mehr so werden.

Aber unter allen Beleidigungen halt' ich die für die Aergste: dem Freund Widerspruch in sich (oder Unwahrheit ist eins) zuzuschreiben.

Sie solten, Sie können mich nie so lieben als ich Sie, denn Du bist mehr als ich, und nun bin ich noch weit weniger.

Nicht was ich dachte und fühlte reut mich, dächte ich auch nur an den vorlezten Abend als Du bei Zehelein spieltest, und ob ich Sie gleich nicht sah und hörte, so sah und hörte ich doch Dich, Sie müßen es gesehn und gefühlt haben, reut mich nicht Dein und ich werde es immer fühlen und denken; aber daß ich es schrieb, und wie ich es schrieb .

Ich habe keine Gedichte durch Sie und von Ihrer Hand. Es sind die: die Sie einst an R. schickten , der Sie uns mittheilte, wo sie dann Otto und E. abschrieben . Meinten Sie diese, und wollen Sie sie? Doch die Charaden sind auch darunter.

Geben Sie auch mir Nachricht von sich. Leben Sie wohl

Thieriot, Thieriot, recht wohl.A.

O. wolt schreiben, konnt aber nichts als grüßen, und bald wird er mehr.Adieu, noch einmal ehe ich siegle

Zitierhinweis

Von Amöne Otto an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 27. Juni 1802, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1257


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Bl. 8°, 1 S. Auf S. 1 am oberen linken Rand von Karl August Varnhagen von Enses Hand: Amöne Otto. Auf S. 2 links Adr. Thieriot., recht, um 180° gedreht: Amoene –. Siegelrest.


Korrespondenz

Der Brief war Beilage zu Emanuels Brief an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 27. Juni, 1802, Sonntag.