Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 26. und 27. Februar 1807, Donnerstag und Freitag

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B. 26. Febr. 7.

Meine gute Car.! Da ich mit dem Abschreiben, meiner eignen Worte für Sie eben fertig bin: will ich auch einige neue dazu schreiben. Ihren lieben Brief v. 9ten Jan. erhielt ich vor einer Reise auf mein so genanntes Gut – denn jetzt ist ein Gut kein Gut – sondern eine Last – von der ich seit 8 Tagen wieder zurück gekommen bin. Nehmen S. herzlichen Dank v. mir für die Beschreibung des Todes des Frommen . Der Fromme stirbt nie – er hört nur auf zu leiden. Leiden u Leben sind in gegenwärtiger Zeit bei nahe gleichbedeutende Worte – besonders weil man beides für andere thun muß u soll. Ihre Philosophie, Ihre Ruhe wird Sie längst auf diesen Verlust vorbereitet gehabt u Sie in ihm getröstet haben.

Außer uns giebt es keine Sorge, kein Schmerz – ab. auch keine Freude und kein Trost. Der Ichglaube, recht verstanden, ist u bleibt gewiß der allein selig machende. Meine gute, alte Mutter |2 macht mir auch immer mehr Sorgen um ihre Erhaltung. Ich bin eigentlich ihr Haus- u Leibarzt – einen Seelenartzt bedarf ihre reine, gesunde, altgläubige Seele nicht – ich lerne aber täglich mehr die Hinfälligkeit des Menschen u die Armuth meiner aertztlichen Hülfe kennen. Oft weiß ich keine Antw. auf die Frage: warum der Mensch alt u schwach werden u – seyn will. Ist nicht 50 Jahre glücklich – lange gelebt? ist nicht 50 Jahre unglücklich – genug gelebt?

Am 27ten Wer viel fragt geht viel irre. Gestern mußt' ich vom Schreibtisch u das war mir recht, denn ich fragte zu viel. In der LiteraturZeitung hab' ich wohl eine andere Dame als Mitglied der Academie angezeigt gefunden , aber nicht Sie; warum? Bei uns und wahrscheinlich auch bei Ihnen ist Alles noch so bestellt, wie es vor einigen Wochen gestellt wurde. Mein Otto ist vermuthlich mit nach Memel . Wir haben lange keine Nachricht v. ihm. Jette liegt mit einem Mädchen im Kindbette, ist gesund u zieht in diesem Sommer n. Karlsruh .

Der Rittmeister v. Kehler, der Mann meiner neuen Bekanntschaft, ist als Gefangner lange schon bei seiner edlen Gattin und zweien Kindern u sie leben so glücklich, wie es gute Menschen jetzt seyn können. Sie gute Car. entschuldigen das Schreiben v. sich u ich unterhalte Sie nicht nur gerne v. mir, auch v. meinen, Ihnen ganz unbekannten Bekannten u Freunden u ich entschuldige mich nicht. Wenn ich v. mir spreche, so muß ich v. den Meinigen sprechen, denn diese machen den besten, den edelsten Theil meines Wesens aus u was kann der Freund für die Freundin od. diese für jenen wichtigeres zum Gegenstand der Unterhaltung nehmen, besonders in diesen Tagen der Noth u des Jammers, als die eigne Person?

Ich bin kein Freund v. Neuigkeiten u am allerwenigsten sie zu schreiben. Meine aelteste Freundin, Hofräthin Voigt, hat mir zu Weihnachten eine Nachtmütze gestrickt u in ihr die Anfangsbuchstaben meiner besten Freunde u Freundinin verewigt, unter diesen prangt auch ein G. Nehmen S. herzliche Grüße v. meinem Uhlfelder u meinem Israel, auch Dank für Ihr Andenken v. ihnen.

Gott geb' uns – wenn wir ihn verdienen – einen baldigen Frieden; er erhalte Ihnen Ihren innern u. Sie stets gesund u mir Ihr Andenken!

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 26. und 27. Februar 1807, Donnerstag und Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1284


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Bl. 4°, 1½ S. Auf S. 1 Briefschluss von B von Caroline Golschmidts Hand.


Korrespondenz

B: Von Caroline Goldschmidt an Emanuel. Berlin, 9. Januar 1807, Freitag (?)

S. 1 der Abschrift auf Briefschluß von B.