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M. gute Car.! Mit Ihren lieben Zeilen v. 8ten haben Sie mich recht überrascht. Es freut mich zu wissen, daß Sie an diesem Tage noch in Wien waren, weil ich Sie längst ausgewandert glaubte; aber sehr leid thut mir's, daß Sie nicht ganz gesund sind.

Möchten Sie's beim Empfang dieses Briefes lange schon seyn! Nicht nur Ihnen schweig' ich seit einigen Monaten, ich schweige vielen immer mehr. Besonders konnte ein Briefwechsel ins Oestreichische, für uns, bis nun der fürchterlichste Krieg wieder ausgebrochen , |2 keine rathsame, auch keine angenehme Beschäftigung seyn. Alle Briefe dahin wurden erbrochen und deren Schreiber immer im wachsamen Auge behalten; wie sollte man seine ehrliche, freundschftliche Feder dieser Entweihung aussetzen ?

Nun, da unsre Truppen ins Feld gezogen sind , genießen wir eine Stille, wie wir sie in Jahren nicht genoßen u nur die blutigen Nachrichten reißen uns aus unsrer Ruhe.

Bald werden wir wieder Besatzung d. h. unsre französische wieder bei uns haben und dann vor jedem Überfall geschützt seyn.

Da ich lange aus Erfahrung weiß, daß der Mensch nicht einsehen was politisch gut für ihn ist: so sehe ich nun in jedem Gang Gutes und erwarte dessen immer mehr. Wer allein jetzt steht – davon bringt mich selbst Moses nicht ab – der hat ein leichtes, ein erträgliches ja gutes Loos. Bei einem gesunden Kopf, zwei gesunden Armen und Einem gesunden Magen nicht sich leicht fügen zu können, zu wollen, in die, selbst in die neueste Zeit, verschlimmert die eigne günstige Lage des Schicksals freiwillig sich der zu ängstlich besorgte Mensch.

Ich traue mir die Kraft zu – vielleicht verkenn' ich mich – daß, blieben mir nicht so viel zeitliche Güter, um meine eingeschrankteste Bedürfniße zu befriedigen, daß ich mit meiner Lust zur Arbeit und nützlich zu seyn, mich einer braven Familie anböte, um für sie und mit ihr |3 zu leben. Es könnte mir dann nicht fehlen und warum um mich sorgen und quälen um die Zeit und durch Sie?

Kennt der Schwächere noch immer nicht dich Macht des Stärkern und zieht ins Feld mit Mann und Wort gegen ihn, dann werde er immer gerechtest bestraft.

Wer durch Worte siegen will, der muß es vorher mit der That bekräftigen, bestärken dies Wort.

Ich bin gesund u.s.w.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 27. April 1809, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1300


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 1⅔ S. Die obere Hälfte von S. 1 und 4 ist rausgeschnitten. Über dem Brief Unterschrift von Caroline Goldschmidts Hand, auf S. 4 im unteren Teil der Seite Briefpassage von B von Caroline Goldschmidts Hand.


Korrespondenz

B: Von Caroline Goldschmidt an Emanuel. Wien (?), 8. April (?) 1809

Die Briefabschrift befindet sich auf dem selben Bogen wie B, wobei Emanuel soviele Teile von B herausgeschnitten hat, wie es möglich war, ohne seine Abschrift zu beschädigen.