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B. 3 Nov. 9

Weit war ich Ihnen davon gelaufen, gute Car. und bald wär' ich eher nach Paris gekommen, als Sie.

Über dem Rhein, auf französischem Grund u Boden war ich schon u Ihre Worte vom ersten Sept. machten diese Reise in meiner Brieftasche mit.

Meine Einquartirung, ein braver französischer Offizier, wurde nach Strasburg gesandt.

Er trennte sich nicht gerne von seinem Wirth u bat also diesen mit ihm zu reisen.

Dieser trennte sich nicht gerne von seinem Gast u ging mit ihm. Eigentlich sehnt' ich mich lange nach mehrern meiner Freunde, die ich auf dieser Reise, in Nbg. Stttg. Carlsr. Eßlingen u. s. w. gesund u froh sah.

Meine Freunde Brauns in C. verließen 3 Tage vor meiner Ankunft diesen Ort; ich mußte also ihnen nach Freiburg, 18 Stunden über Strasburg, nach gehen.

Jette Br. las sich ihren Gruß also eigenaugig aus Ihrem Brief heraus. Durch mich dankt sie recht schön und warm dafür.

|2 Ich sah viel Schönes, viel Neues und genoß viel Gutes auf dieser Reise, die ich schnell u vergnügt endigte. Kaum 8 Tage zu Hause, mußt' ich n. Döhlau, wo mich die beste Nachricht, die des Friedens traf. Am 19ten Abends kam ich hier wieder an, an demselben Morgen mußte mein guter Offizier mein Haus verlassen, ohne mir ein mündliches Lebewohl sagen zu können.

So lebt' ich seit meinem Schweigen, Car.

Wenn uns der liebe Gott einen dauerhaften Frieden gegeben – das sind die besten für die Unterthanen – dann wird er uns bald wieder bessere Tage geben. Schon die Aussicht auf diese ist gut. Mein "fürchterlich" mußt' ich schon dieserwegen auslöschen, weil es eines von meinen Worten ist, die ich zu oft ausspreche, und dieses oft ohne mir eigentlich etwas fürchterliches dabei zu denken; also aus Sprachrichtigkeit so wohl, als aus Ehrlichkeit.

|3 Durch diese Verbesserungen hab‘ ich mir schon manches Wort abgwöhnt.

Es sollte mich wundern, wenn Sie bei sich nicht auch in dem Falle gewesen und vielleicht nicht noch wären.

Wie ich schreibe so mein' ich es u daher müssen mir es meine Freunde schon erlauben, meine Worte aus zu bessern, wenn ich sie nicht übereinstimmend mit meinen Gedanken finde.

Ich mag nie mehr ausdrücken, als ich geben will, lieber weniger.

Nach meinem Gefühle ist nicht das Geliebtwerden, sondern das Lieben; nicht das Nehmen, sondern das Geben das Höchste, das Reinste, das Himmlischste auf dieser Erde.

Sie können also mit sich wohl zufrieden seyn u mit Ihrer Liebe.

Auch als Mädchen ist es Ihnen eher erlaubt, das Wort des Ausdrucks nicht so genau zu nehmen, wie mir dem Manne.

Daß ich nicht von jener Zurückhaltung, von jener Zartheit spreche, die vom Weibe mehr als vom Manne verlangt wird, das trauen Sie mir zu.

Aber um wieder auf mich zu kommen |4 bin ich es überzeugt, daß ich rein liebe die Menschen u in ihnen meine Freunde u in allen meinen Gott, und, daß ich nie verlange, weil ich es nicht verlangen, sondern nur leise wünschen darf, so rein geliebt zu werden, als ich liebe. Höchstens ein Mann könnte meine Liebe erwiedern u vielleicht erwiedert sie mir mein Uhlfelder.

Ich traue es ihm zu. Er grüßt Sie freundlich. Daß Sie nicht gesund sind, Car., das thut mir leid, sehr leid, denn alles andere läßt sich eher ertragen als Krankheit, u weiß ich meine Freunde nicht wohl, dann ist mirs auch nicht wohl. Sagen Sie mir bald, daß Sie gesund sind. Im Winter werden Sie wol nicht mehr reisen. Ich bin zwar auch in ihm bisweilen auf dem Lande; da Sie Ihre Reise auf jeden Fall anzeigen: so kann ich Sie nicht verfehlen.

Einsam ist mein Leben u immer mehr einsam, da ich Gesellschften immer weniger suche. Ich danke Ihnen Car., für diese Stunde Unterhaltung mit Ihnen u für so viele, voll des guten Andenkens.

Em.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 3. November 1809, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1305


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. u. 1 Bl., 4 S. Auf zwei Seiten des Doppelblattes befindet sich der Briefschluss von B von Caroline Goldschmidts Hand.


Korrespondenz

B: Von Caroline Goldschmidt an Emanuel. Wien (?), 1. September 1809, Freitag

Emanuel beginnt mit seiner Briefabschrift auf dem Bogen des Briefschlusses von B.