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B. 30 Oct. 10 Vergeben Sie mir, gute Car., daß ich Ihnen so spät antworte. Andere müssen mir lange das gar nicht Antworten vergeben. Dieser Monat soll nicht verlaufen, ohne daß ich mich mit Ihnen schriftlich in ihm unterhalten habe.

Im Geiste genieß' ich diese Unterhaltg oft, u hätt' ich seit Kurzem nicht drei Reisen machen müssen: so würden Sie meine Worte längst erreicht haben.

Blos für diesen Monat will ich mich b. Ihnen entschuldigen; für die vorher vergangnen wird mir Ihr Herz Vergebung angedeihen lassen, ohne daß ich eine einzige von den vielen Entschuldigungen, die ich für mich habe, anzugeben brauche: ich bitte dasselbe darum.

|2 Zu Ihrem so geschwind ausgeführten Entschluß wünsch' ich Ihnen Glück u Segen. Vorausgesetzt, daß Sie der Kunst doch noch mit- u daß Sie mit einer edlen Familie leben können, lob' ich Ihren Schritt sehr u besonders da Sie gewiß sehr nützlich u – in unsern Tagen höchst wichtig – für die Zukunft gesichert sind. Meine aelteste Car. v. B. ist sehr glücklich in demselben Beruf, indem sie in Braunfels zwei Prinzesinnen , sehr gute Kinder, nach Ihrem Wunsch u Willen erziehet. Car. R. ist als Mutter dreier liebenswürdigen Kinder glücklich u nun kann ich auch mit Ihnen üb. Erziehung mich unterhalten, wie mit jenen, und darauf freu' ich mich. Ich hoffe, daß sich meine Schreibelust bald wieder vermehren soll.

Sagen Sie mir viel v. Ihrem neuen Beruf, wie viel Sie Kinder bekommen, ob sie gutartig u. s. w.

Auf den nächsten Sommer werden Sie mir dann Ihre Kinder vorstellen können, denn darauf rechn' ich, daß wir uns, da Sie uns so nahe kommen, uns öfter sehen.

Ihre jetzige Lage ist mir auch dieserwegen lieb, weil sie Ihnen weniger Zeit für Gesellschaften läßt u Sie aus ihren alten gerissen hat.

Bedaur' ich schon die Menschen, welche nicht ohne tägliche so genannte Gesellschften leben zu können glauben: so beklag' ich u bemitleid' ich diejenigen, welche den Unwerth jener Gesellschften einsehen u sie dennoch mitmachen müssen.

Von dieser Seite hab' ich mich ziemlich rein durch gearbeitet: ich gehe beinahe in gar keine Gesellschaften mehr u selbst zu meinen besten Freunden nicht, wenn sie welche haben. Die Gesellschaft immer einer einzigen Familie ist mir noch Bedürfniß; unter Eltern u Kinder leb' ich gerne |3 u da leb' ich auch noch bisweilen.

Seit einigen Monaten lebt eine Familie Seebek, welche 8 Jahre abwesend war wieder hier , die aus den besten Eltern u 8 wohlerzogenen Kindern besteht, diese Familie wünscht' ich allen Erziehern zeigen zu können.

Diese seh' ich bisweilen zu meinem großen Vergnügen.

Meine alte Voigt ist nun Wittwe .

Jette ist gesund u durch ihre Kinder glücklich. Sie freute sich v. Ihnen gegrüßt zu werden u erwiedert Ihr Andenken mit Liebe. Bis heute über 8 Tage läßt sich mein Isr. mit seiner Ella trauen. Wir fahren auf ein zwei Stunden v. hier liegendes Dorf u lassen in Ruhe u Stille den ewigen Bund schließen.

Mög' ihn Gott segnen!

Wenn Sie ein mal ein paar Tausend Gulden jährlich zu verzehren haben, dann rath' ich Ihnen, es in Freiburg in Breisgau zu verzehren u jährlich einen kleinen Ausflug in die nahe Schweiz zu machen.

So bald ich frei werde flieg' ich hier selbst aus.

Mein Uhlf. grüßt Sie recht freundschaftlich.

Es freut mich, daß Sie nicht mehr den Wiener Schacher- u Straßenstaub einhauchen.

Bleiben Sie gesund u sagen Sie, daß Sie's sind dem alten

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 30. Oktober 1810, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1316


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 2⅓ S. Obere Hälfte von S. 1 und 4 herausgeschnitten. Auf der unteren Hälfte von S. 4 Fragment von B von Caroline Goldschmidts Hand.


Korrespondenz

B: Von Caroline Goldschmidt an Emanuel. Wien, vor dem 30. Oktober 1810

Die Briefabschrift befindet sich auf dem Bogen des Briefschlusses von B, von dem eine halbe Seite (so viel wie möglich, ohne Emanuels Abschrift zu beschädigen) herausgeschnitten wurde.