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Bayreuth, 7. Jan. 1821.

Mein rein und innigstgeliebter Herder!

Seit dem mein jüngster Brief an Sie abgegangen ist, hab' ich mehrere nachfolgen lassen oder eigentlich beständig an Sie geschrieben und zwar mein Bestes, denn es kam nicht aufs Papier.

Was darauf kommt heißt man Schwarz auf Weiß; aber ich schrieb blos im Geiste an den Ihrigen, aus dem Herzen an das Ihrige und da ist Schwarzes, ja Graues nicht zu finden.

Aber so bald man diese meine Geistsprache auf die Lippe oder durch die Feder vors Auge bringen will: so mischt Schwarzes, Schatten sich hinein.

Daher ist Schweigen überall; im Gebet, in der Liebe, in der Anbetung, im Schmerz, in der Trauer, überall nicht nur das Reinste, auch das Höchste und das Tiefste, so wie das Stärkste.

In meinem Dankbrief an Sie hab' ich mich nicht genug entschuldiget über das Offenbaren |2 der für mich geschriebenen Stelle.

Meine Freude möge diese Übereilung heute noch entschuldigen, eine andere Entschuldigung hab' ich nicht.

Aber gerade diese Stelle ist es von der ich mich seit dem nicht mich entfernen kann, auf der ich noch bis zum Schwindel rechts und links herumdrehe.

Mir ist es, wie einem guten Vater, der sein geliebtes, gutes Kind von sich geben soll.

Ich nähre, wer weiß das besser als Sie und unser Minister? dieses guten Kindes 2te Versorgung lange und nun, nach dem ich bald in dem Hafen dieser guten [...] einzulaufen gedenke, nach dem ich am Ziele zu seyn glaube, mit diesem meinem lieben Kinde, nähert sich mir eine Furcht, sie überfällt mich, als wär' ich selber ein – gebranntes.

Auf Ehre, Achtung, Liebe, Vertrauen und Belohnung kann dieser engelreine Mensch Anspruch machen und er geht der Befriedigung diese s r entgegen; wird er aber dennoch entsprechen der Erwartung eines edlen Ministers, der es, wie noch keiner mehr, verdient dankbar erkannt, mit Dank belohnt zu werden von Allen die sich ihm nahen zu dürfen das Glück zu haben?

Glück? Liebe? Dank? So frag' ich mich und |3 meine Antwort sollte wieder seyn – Schweigen.

Der Dank wird nicht erzeugt im Empfangen sondern im Geben, im Leisten nicht nur, ja – so berühren sich überall die äußern enden – er vernichtet, wenn lange wir nehmen müssen, selbst im Edlen, das vorhandene Glück und dadurch auch die Liebe.

Nehmen, Annehmen ist Schatten; Geben, Hingeben, sich zu erst – Licht.

Wer steht gerne im Schatten?

Bayreuth, am Tage
Emanuels 26/3 21.

Heut, an meinem Tage, will ich dieses Blatt endigen und meine Hand nach Ihnen ausstrecken wieder, weil gerade heut durch einen eingegangenen Brief meines Ottos an seine Frau , mir dieser Tag gestört wurde, mein Herder!

Es ist mir nicht möglich, meinen Otto zu beruhigen; das Reichste, das Herzlichste, welches ich ihm schreibe, über seine Lage oder Stellung, ziehet mir |4 unmittel- und mittelbare Vorwürfe zu, so wie z. B. beiliegender Auszug

Ich lege den Auszug heute noch nicht bei.
meines letzten Brief v. 15ten an ihn .

Ich bitte Sie, mich zu beruhigen mit einigen Zeilen, ich bitte Sie um Gotteswillen, um diese Beruhigung.Beinahe fürcht' ich, nicht dem erwünschten Erfolg von meinem 12ten Jan.-Brief an Sie erwarten zu dürfen, zu können.

Diesen Brief, den Gott meiner Liebe dictirt hatte, an Sie, für Otto.So, auf dieser Stelle wird mein und Ihr Zweck, diesen guten Menschen möglichst glücklich oder mehr glücklich als er's war, zu sehen nicht erreicht. Verzeihung und Beruhigung für Ihren treuen

Osmund

Zitierhinweis

Von Emanuel Osmund an Emil von Herder. Bayreuth, 7. Januar und 26. März 1821, Sonntag und Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1369


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Textgrundlage

H: GSA, 44/341a
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

Vorerst nicht abgeschickt, vgl. Emanuel Osmunds Brief an Emil von Herder vom 27. März 1821.