Von Emanuel Osmund an Georg Christian Otto. Bayreuth, 11. und 12. Juni 1821, Montag und Dienstag

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B. 11 Juni 21.

Mein Otto! Wie wohl ist mir, daß dieses "Mein Otto" wieder da steht.Zu erst recht rein herzlichen Dank, u ganz besonders, daß sie am 6ten Juni geschrieben sind. Seit dem ich Sie nicht ruhig und mit mir nicht zu frieden wußte, vorzüglich, daß ich dieses mittelbar erfahren mußte, war ich schmerzhaft verstimmt.Oft setzt' ich mich für Sie an meinen Schreibtisch, aber eben so oft verließ ich diesen still und sprachlos wieder.Im eigentlichen Sinne sprachlos, denn auch an andere Freunde zu schreiben versagte mir meine Seele u mein Herz ihre Stimmen, obgleich nicht ihre Einwilligung.

Über eine gewiße Schüchternheit, die sich meiner bemächtigte, konnt' ich, ja kann ich selber heut nicht Herr werden.

Jedes mittelbare Lob, das uns von den Unserigen wird, erhöht unser Inneres eben so als der mittelbare Tadel oder gar Vorwurf uns zusammen drückt u preßt; jenes erspartes uns ein schamhaftes Erröthen; aber diese Mittelbarkeit benimmt uns die Wohlthat der Reinigung, der Entschuldigung.Doch ich will meinem armen Herzen Einhalt thun u Ihnen versichern, daß ich Ihnen seit 14 Tagen geschrieben haben würde, wenn mir es physisch, |2 durch eine dicke Hand an einem steifen Arm, nicht unmöglich gewesen wäre.

Und eben weil mir's unmöglich war, so ist der Mensch, wollt' ich aus der auf gedunsenen Haut fahren, daß ich – nicht schreiben konnte.

Der 6te wurde eigentlich – so viel mir bekannt – in einem heiligen Herz drin gefeiert: in des Freundes, der in der bairischen Residenz , in der Freundinn, die in der badischen Residenz residirt und in beider Freundes selber, in dessen Umgebung zu seiner Wonne, kein Hauch, noch weniger ein Laut diesen Tag Gottes verkündigte.

Ein Sperling, den wir vor unserm Fenster füttern, hat mich an diesem Morgen mit einem Ei angebunden, wofür er aber auch besseres Futter bekommen hat.

Meinem lieben Pärchen , das, durch Gott, an Geist und Körper täglich zu nimmt, hab' ich an diesem Tage mehr Segen erbeten, Einen Kuß und Einen Bonbon mehr gegeben u der braven Mutter auch.

Diesen Morgen genoß ich bei Amoene ein Abendmahl, wozu Sie den Wein u Friedricka das Brod gereichet haben.

Auf meine Bitte suchte nämlich die Amoene mir den Ersch u Huber in Ihrem Schreibpulte und sie fand eine von Ihnen angebrochne Flasche rothen |3 Wein u von diesem wurden sogleich einige Gläser, auf Ihre Gesundheit – mit ganz besonderer Wohlgemüthlichkeit, als ein wahres herrnhutisches Liebesmahl – geleert.Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, daß Amoene einige Ahnung v. der Unbedeutenheit des 6ten Juni habe, jedoch in der Vermuthung, daß Sie einen unrechten Tag in Ihrem Calender erwischt haben müßten.Ich bitte Sie – wie ich es auch gethan habe, schweigend, für immer in diesem, für mich erwünschten, Irrthum zu lassen.

Wär' ich am 1ten in München gewesen, ich würde mein liebes Zwei gebeten haben, mich mit nach dem Tegernsee zu nehmen, wohin zu gehen mir noch nicht gegönnet war.

Ich würde nicht papp haben sagen, Euch gewiß nicht haben stören, sondern Euch nur haben sehen wollen selig seyn u mich – so machen.

Grüssen Sie mir, diesen meinen ersten recht heiß u sagen Sie ihm, daß ich mich freue wenigstens den Monat mit ihm theilen zu können.

Wenn ich dem Kopfe nach zwar den 30ten einnehmen sollte; meinem Herzen nach darf ich schon am [...]ten ihm nach u nahe kommen.

Aus diesem reinen dank' ich Ihnen für Ihre Anrede |4 für Ihren Segen u für Ihr Verlangen an diesem meinen ewig stillen Tag noch ein mal u noch oft!

Am 12ten. Von der k. Schulden-Tilg. Kommis. hab' ich eine Resoluzion erhalten, nach welcher ich jedoch auf dem alten Platze stehen bleiben kann.Sie sagt, wenn nicht sehr vortheilhafte Bedingungen pp bewirken, dann für mich auf Belohnung p antragen pp.

Ich werde demnächst meine Ansicht v. der Sache einreichen.So viel ich jetzt einsehe, scheinen mir die Herren keinen richtigen Begrif v. einem brauchbaren Geschäftsmann, v. seiner Zeit u seinen Bedürfen zu haben oder haben zu wollen.

"Bleib im Lande u nähre Dich redlich" ist besser.

Gestern u heut hab' ich Gruß u Dank an Sie aufgetragen bekommen v. Flora u Uhlfelder, v. diesen beiden schlichten Menschen, die Sie lieben u Ihre Abwesenheit bei nahe so lange finden wie ich.

Bleiben Sie uns gesund, uns. Otto, wohl und unser!

Ihr Eml

Zitierhinweis

Von Emanuel Osmund an Georg Christian Otto. Bayreuth, 11. und 12. Juni 1821, Montag und Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1379


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 3⅞ S.


Korrespondenz

B: Von Georg Christian Otto an Emanuel Osmund. München 6. Juni 1821