Von Emanuel an Christian Felix Weiße. Bayreuth, 31. Dezember 1801, Donnerstag

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31t Dez 1

Bester der Würdigsten,
Würdigster der Besten!

Für was soll ich Ihnen mehr danken, für die Worte, die S. mir selbst, od für die, die mir Ihre Tochter, auf Ihre Erlaubniß, also Sie mittelbar mir zulangten ?

Ich denke mich in Ihre Seele einen Augenblick – denn länger erträgts meine vollkommen unvollkommene nicht – u lese mir die Antw., die aus einer so reinen u göttlichen zu erwarten ist: "Genieße, Emanuel, das soll Dein Dank seyn."

Das will ich auch, würdiger, himmlischer Vater!

Nur dann verlohnte sich's der vielen Mühe zu leben, wenn man weise und gut war u nur dann wünscht man sich lange zu leben, wenn man einen sanften, ruhigen weißen Weisen siehet.

Kein Bildals / wie dieß wirkt mehr auf uns, und Aeltern und Erzieher sollten – wenn sie Gelegenheit haben – was doch – obgleich äusserst selten, bisweilen – ihren Zöglingen u Kindern es als ein Heiligenbild sehen lassen.

War. mußt' ich erst mein steigendes halbes Menschenalter erklettert haben, bevor ich S. sehen durfte?

Wie lieb ich meinen, uns. Richter, daß er mich – wie ein Engel – b. Ihnen einführte. Hätt' ich ihn doch bis ich S. gesehen weniger lieben – um ihn nun aus Dankbarkeit mehr lieben zu können!

Noch hat mir Ein Jahr nicht so sehr viel gegeben, als dieß glückliche Ao I.

Es ließ meinen Richter so glückl. werden, als ich's nie |2 erwartete u mich durch ihn Menschen sehen u empfahen, wie ich mir sie nie besser denken, auch nie besser wünschen konnte.

Einige Adams-Kinder zeigten sich mir zwar weniger günstig, als ich's erwarten sollte u konnte; sie nahmen mir so gar Manches; aber – so gut ist Der, von dem nichts als Gutes kommt – sie nahmen's in einem Jahr, in dem ich so viel bekam, daß sie meine Ruhe wol ein wenig unterbrechen konnten; aber weder mein Glück noch meine Liebe – denn diese allein macht mir jenes – wankend zu machen im Stande waren.

Es ist für mich keine groeßere Wonne, als beim Abschnitt eines Jahrs mir sagen zu können: Du kannst u darfst nun wieder Ein gutes Wesen mehr Dein nennen, als beim Anfang des so eben zu Ende gehenden Jahrs.

Und das kann ich mir heute so oft, ja von einer ganzen Famille v. prächtigen Menschen so gar sagen!

Könnt' ich so gut seyn, wie ich's seyn möchte, ich hielt mich heute für den glücklichsten Sterblichen.

Nehmen S. meine Hand, die ich Ihnen im alten Jahr voll Liebe reiche, im neuen so auf, wie S. sie u mein Herz schon auf- u angenommen haben.

Das neue Jahr soll mir, ausser neuer Kraft zum Behuf des Besser- u Gutwerdens, nichts geben, sondern nur lassen; meinen Menschenschatz, den Sie u die lieben Ihrigen so sehr bereicherten.

Ewig Ihr

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Christian Felix Weiße. Bayreuth, 31. Dezember 1801, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1417


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