Von Jeanne Marie Thieriot und Jaques Henry Thieriot an Paul Emile Thieriot. Leipzig, 22. Mai 1802, Sonnabend

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Leipzig den 22t May 1802

Guter Paul, ob Dir gleich Bruder Jaques heute nicht schreiben wollte (u. Er legt doch villeicht noch ein paar Zeilen bey) so konte ich's doch nicht über's Herz bringen Dich bis zum nächsten Posttag ohne Briefe zu laßen, wir Mädchen beschloßen daher gestern Nachmitag um 4 Uhr unter Gottes schönen blauen Himmel der über die grüne Laube von Zöbickers-Gärtchen waltetet (bey Dir war er gewiß eben so schön?) worin wir 5 von der Schwester genante Leutchen saßen, Caffee tranken, rauchten, u rauchen ließen u den von mir vorgeleßnen Brief andächtig anhörten. Besonders ward das Blättchen mit Bleystift geschrieben besonders bemerkt, u der Empfänger der lieblichen Blumen aus schönen Händen, glücklich gepriesen, ich schickte den lieben Geberinnen gern einen Gruß, denn ich bin ihnen ordentlich gut, daß sie meinen Paul so zu beschenken wußten. Hättest Du aber doch lieber, statt "Seht! – Riecht!" darunter geschrieben, es wäre noch ein bischen boshafter gewesen, hätten wir bis zu Dir sehn könen, so hätten wir wohl den Glücklichen vor seinen Napf Blumen stehn sehn, so sahn wir aber nichts als den Schatten davon auf's Papier. Hermann meinte Du müßtest Dein Glück bey den Damen machen, denn Du wärst Höflich, u insolent |2 gegen sie, er wußte es aus Erfahrung zu sprechen. Wir sind jetz oft mit ihm, denn da er sich immer der Verlaßnen annimt so besucht er die Heinroth oft, ihr Bruder der Verwalter ist jetz hier da ist sie auch nicht allein, übrigens wird sie doch auch wieder einiger Maaßen froh. Ich wollte ihr Bruder wär noch da wenn ich nach Dresden gehe, welches wohl künftige Mittwoch über 8 Tage geschehn wird, doch bleibe ich nur 14 Tage, die Idee die H. mit nach Dresden zu nehmen muß ich ganz aufgeben, denn könte sie auch wegen ihrer Haushaltung, so dürfte ich's nicht vorschlagen, denn wir sind schon 4 im Wagen, denn in einigen Tagen kömt die Tante u. Emilie, die Reise wird also sehr angenehm seyn, wenn wir nur nicht große Hitze bekomen. Ich wünschte wohl zu der Zeit Deiner Ankunft auch hier zu seyn, welches aber nicht geschehn wird, denn Du wirst doch manches brauchen, da Du auf längre Zeit fort gehst, indeßen kanst Du mir schreiben wenn Du dir etwas von guter Wäsche wünschest, denn als in Deiner Qualität mußt Du schon etwas aufs äußere sehn. Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit u glaube es muß Dir auch sehr lieb seyn.

|3 Das müßen Dir jetz seelige Tage seyn, bey Deinem Freunde, – was macht er? geht ihr fleißig spazieren, u. Emanuel immer mit, [...]? wenn er sich noch unsrer erinnert so grüße ihn von uns. von der Plattnern kanst Du ihm sagen; daß sie in weniger als 14 Tagen Frau D. Nauwerck heißen wird . Das Mädchen ist fröhlich u. seeli ch g , wie eine Braut nur seyn kann, wir sehn uns selten, wie kann es auch anders seyn, zum Feyertagen wollen sie schon in Dresden seyn, da sehe ich sie dann als Cousine wieder.

"Sonst jemand da"? frägst Du: niemand weiter als wir alten die Du alle weißt, Apeln sehn wir nicht, Kanne u alle Deine Bekanten sind für uns gestorben, – u Diemer schreibt Dir auch nicht, er hat immer viel zu thun, u ich sehe ihn auch jetz weniger als im Anfange, doch (die Ursache mündlich) doch ließ ich's ihm heute anbieten. Aber Du hast ihm ja auch noch nicht geantwortet, auf seine Juristische Epistel? —

Dies wäre für heute genug geschrieben, lieber Bruder Lebe wohl, bleibe gesund, u froh, um Dich immer so wie in Hildburghausen und |4 Meiningen Deiner Virtuosität zu überzeugen, welches Du jetz gewiß beßer kanst als vor dem Publicum des Leipziger Concerts. Adieu sagt

Deine

Schwester Jeanette
Thieriot.

Nur 2 Worte

Wenn Du herkommst kannst Du die kurze Zeit Deines Aufenthalts bey mir in Connewitz wohnen, wo ich sonst allein wohne. – In höchster Eile

Zitierhinweis

Von Jeanne Marie Thieriot und Jaques Henry Thieriot an Paul Emile Thieriot. Leipzig, 22. Mai 1802, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1424


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 243
1 Dbl. 8°, 3¼ S. von Jeanne Marie Thieriot, 6 Zeilen von Jaques Henry Thieriot.