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Paris 28. Jul. 1802

Mein brüder und schwesterlicher Emanuel. Heute ist Mittwoch: Am Sonntage früh bekam ich dien Trauerbrief , daß – lies nicht zu schnell, Du Guter – meine gute Jeannette ganz unvermuthet und unvermuthend am 13ten auf des Onkels Weinberge in Dresden sanft gestorben ist. – Mein Bruder schrieb heftig, er darf auch klagen – ich habe den Schmerz ordentlich genoßen wie eine Freude, aber nur am ersten Tage, da er noch frisch war – jetzt ist Alles schon aufgewärmt.

Nein nein er ist noch heute ganz frisch16. Aug. 1803

O warum kann mich der Schmerz nicht einmal ganz paken und eine Zeit lang über der Erde halten!

|2 Es thut mir wohl, daß Du noch ihren vorletzten Brief gelesen hast – ihr letzter war an mich voll Lebenshofnung u Munterkeit ist vom 27. Juny v. Dresden (ich habe sie in Leipzig nicht wiedergesehn also seit dem 4. Apr.) ich bekam u. beantwortete ihn am 21-22 Jul

Jetzt erst habe ich meine Mutter ganz verloren .

Wie soll das einen kuriren, der schon lange die Gegenwart wie ein unwichtiges kaum ernsthaftes Supplement der Vergangenheit ansah (eigentlich nicht sowohl meiner geschloßenen Annalen, als der Weltgeschichte überhaupt, die man allemal ein wenig durchlebt, indem man sie lernt) indeß glücklichere Narren ewig wie ich noch zu weilen in der Einleitung in ihre brill interess ante Zukunft leben. Die Jugend wenigstens sollt' es.

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29.

Guten Morgen, Emanuel.

Ich habe Dir erst Einmal aus Paris Briefe geschickt : darauf kann ich noch keine Antwort haben – aber ich habe überhaupt keinen Brief von Dir seit dem an Metzler adreßirten , den ich am ersten Tage hier fand – hast Du mir denn nicht durch Mess. Perregaux (die vorletzte Adreße, die ich Dir noch aus Leipzig gab ) geschrieben?

Ich bin noch völlig allein hier, unbeschäftigt od. doch ungedrängt – erst künftige Woche, wenn ich glüklich rathe, geht die carriere an aber erst im Schritt leisen Paß.

Unterdeßen haß ich und veracht' ich mein Gott gebe künftiges Auditorium schon hinlänglich – u. da ich 2½ Monat zu früh gekommen bin, so hält mich der Gestank u. die boue de Paris für einen Dölitzer od. Baireuther Sommer nicht ganz schadlos.

Bei Marseille soll es ein schönes |4 Dorf geben, wo fast lauter Fremde wohnen – ? – Ich werde mich genau erkundigen.

31.

Grüße mir die Mädchen, Zierla und Ella. Der Musikliebende Uhrschlüssel, sowie die Fantasiezeichnung des künftigen Geliebten und ihre eignen – nun Silhouetten – die Rosen, sind noch unverloren und unversehrt.

1. Aug.

Ich harre immer noch auf Briefe, die ich beantworten will. – Jetzt laßen sich gar 2 Gaßenorgeln neben gegen einander vor meinem Fenster hören. – Ich gehe von hier sobald ich kann, aber ich kann nicht so bald. Das dümmste ist, daß man sich hier nicht verlieben kann. Eher entlieben oder entleiben.

2.

Adieu, Emanuel. Grüß Deine Brüder , Amöne (von deren Handschuhen noch keiner abhanden gekommen ) Otto (wie gehts ihm?) und Uhlfelder. Zehlein (wie wars mit s. Bruder) u. den alten General – Himmel, ich habe noch Deinen Brief an Reizenstein abzugeben

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Paris, 28. Juli bis 2. August 1802, Mittwoch bis Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1445


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 17. und 18. August 1802, Dienstag und Mittwoch

Auf S. 1 Beantwortungsvermerk von Emanuels Hand: 17 u 18 Aug. beantw.