Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 9. bis 15. Dezember 1802, Donnerstag bis Mittwoch

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Bayreuth, 9ter Dec. 1802

Mein Thieriot! Mein Glück ists, daß Du es fühlst, wie sehr ich Dich liebe; denn kein Mensch ausser mir kann Dir diese Liebe zu Dir beschreiben und ich selbst kann sie auch nicht schreiben.

Heute ist unsers Ottos Geburtstag , ich bin ruhig und schön durch ihn gestimmt und muß Dirs sagen.

Ich habe, indem ich den Mayer gelesen nicht nur oft an Dich gedacht: ich habe auch einige schriftliche Fragen an Dich gethan; allein sie waren wider meinen Vorsatz und dieser wegen hab' ich sie vorsetzlich auch wieder vernichtet.

Dir Deine Schreibfreiheit in Nichts einzuschränken, hab' ich mir nämlich fest vorgenommen, und wie würde sich dieses mit Fragen vereinigen, da ich Dich dadurch nicht nur zum Schreiben, sondern zum bestimmten Antworten auffordern würde.

Nichts soll Dich in, von und aus mir stören, Du Guter und Freier!

12ter

Nun ist Antw. v. Regensburg und zwar beruhigende angekommen .

Die Jette ist noch immer gut, aber ich glaube nicht an ihr Glück.

Sonderbar wär' es wenn Du ihren Unvater , der gegenwärtig auch in Paris ist, kennen lerntest.

|2 Auch v. Meiningen sind erfreuliche, 14 Tage zu lange aussen gebliebene Briefe angekommen.

Richter, der vermuthlich glaubte, seiner Tochter Brief sei verschlossen auch zu u ver mir gekommen , schickte mir ihn vorgestern.

Er ist prächtig, Dein Brief an die Emma .

Da Du lange auf Antwort warten mußt, es mag der Vater oder das Kind sie geben und ich auch auf keinen Fall so viel geben kann: so will ich Dir einstweilen Einiges abschreiben.

In Meiningen kam ein Befehl, daß nur die Menschen und nicht die Hunde aus ihm gehen sollen; dieser gab Richtern Anlaß folgendes Supplik an den Herzog zu schicken:

"P.P. Durch einige schlechte Wilddiebe u Wildspione unter unsrer Gewerkschaft ist es leider dahin gekommen, daß wir alle mit Stadtarrest belegt sind. Da wir wenig Vernunft haben – und unsre größte darinn besteht, daß wir saufen u nicht tol sind – so kann ich nichts aufsetzen: daher nimmt sich mein treflicher Chef u Brodherr die Mühe, für mich Endesunterschriebenen mehr als Endesunterschriebener, eine Supplik zu machen

Ich kann Attestate v. meinem Prinzipal bei bringen, daß ich so wenig v. der hohen Jagd verstehe als er u daß ich stets hinter seinem Stock der nächste bin; u die einzige niedere Jagd u freie Pürsche, die ich mir erlaube, weil mich der Reichs-Anzeiger dazu ermuntert, ist zu Zeiten eine Feldmaus.

Da ich nun mein Brod bei meinem Brodherrn verlieren würde, wenn er mich nicht ausserhalb des Thors brauchen dürfte, wohin gerade seine Geschäfte mit mir fallen – u da ich sein einziger Viehstand bin u seine Poularderie u |3 Fasanerie u sein Wappenthier; u da Sie ihn gewiß halb so lieben als er Sie; u da Sie oft, wenn Sie bei ihm waren, die Gnade gehabt, mich armen Hund zu streicheln u zu sagen: kom Spiz – so verseh' ich mich zu meinem Glückstern u Hundsstern, daß mir verstattet werde, früher als ich zu Schuhen zu geschnitten bin auf andern Füssen als auf fremden, vor das Thor zu kommen.

Spiz
p. t. Hund b. Herrn Jean Paul"

"Leider, schreibt Richter , genos mein seel. Spiz sein Privileg. Portae nur kurz u Petrus machte ihm ein ganz anderes Thor auf.

Er wurde v. einem tollen vor 4 Wochen gebissen. Ich merkte v. Fernen die kommende Wuth u lies ihn noch b. Verstand vor meinen Augen erschiessen. Eben bekam ich / ereinen Nachläufer / fahrer." —

"wie ein Wolf groß" setzte die Caroline dazu.

Nicht wahr, Alter, so viel könnt' ich Dir von mir nicht geben?

Nun lies noch ein recht schönes Billet v. Herzog, an Richter .

"Nicht Naturforscher genug, um die Art v. (ich glaube es heißt) Wandmotten , genau zu kennen, die man Genies nennt, glaubte ich doch ein Genie, oder einen Geist genau genug zu kennen, um ihn meinen Freund zu nennen.Diesem Glauben nach, welcher sich auf eine gewiße Festigkeit, auf meiner Seite gründet, ist es mir erlaubt einen Freund zu fragen:

Was treibt Sie von hier?

Sind es neuere Freunde, die den ältern den Rang, oder den Werth streitig machen, ober sind es noch aeltere Freunde, die ihre Rechte reclamirten. Doch was hat man für Rechte auf einen Geist, der außer uns ist. Es ist eine Luftgestalt, die man nicht festhalten kann, sie entwischt einem aus den Armen. Doch eins noch, doch das kann es nicht seyn –, sollte frischer Weihrauch gestreut aus unsicherer Hand, einem solchen Geist annehmlicher seyn, als der Blumenduft im Hausgarten? Kurz u gut mein Freund, ich kann die Ursache dieser Wanderung nicht einsehen u solange erlauben Sie mir, daß ich Sie für inconsequent halte.

G."

Ich bin es doch gewiß, daß höchstens nach einigen Jahren, der Herzog von Coburg unserm R. dieses Billet nicht schreibt, wenn er Cob. wieder verläßt .

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15ten

Daß ich Richtern ein Bieraufbewahrungs Rezept habe schicken müssen, das hab' ich Dir geschrieben.

Nun lies was er geantwortet:

"Das Bier ist herlich eingeschlagen. Ich wolte gerade das Abendbier holen lassen als die Fässer kamen u ichs daraus erhob." – "Jezt kann der Winter kommen, wie wohl doch der Schnee länger liegen bleiben wird als das Bier."

Sein Titan ist liegt nun ganz beim Verleger .

Unser Otto ist als Quartiermeister , ganz wider Willen seiner, auf einige Tage nach Erlang beordert worden.

Dieser gute Mensch weiß leider! zu gut, daß er einen andern Platz ausfüllen könnte und verbittert sich dadurch manche Stunde eines jeden Tags und mir oft die ganzen Tage.

Wie kömmt es, daß der gemeine Kopf, der keine Ansprüche auf den Namen eines Gelehrten oder Philosophen macht, sich eher, als die Menschen, die Menschen- und Weltkenntniß haben, in die Menschen und in die Welt zu schicken wissen weiß ?

Die Tugend soll hier nur ausgeübt und blos das Vergnügen des Übens davon und weiter Nichts genossen werden; soll denn die Weißheit so gar umsonst gelernt werden und hier nicht einmal genossen, wo ohnedies hier, an der hiesigen d.h. an der hinnieden so blutwenig ist?

Es ist gut für Dich und f. mich, daß ich keinen Platz mehr zu meinem Haufen mehr Fragen habe. Bleib gesund, Thieriot, bleib mir!

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 9. bis 15. Dezember 1802, Donnerstag bis Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1458


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

A: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Paris, 24. und 26. Dezember 1802, Freitag und Sonntag

Der Brief enthält Abschriften von Jean Pauls Brief an den Herzog Georg von Meiningen im Namen seines Hundes vom 19. September 1802, von einer Nachschrift Jean Pauls und Caroline Richters aus dem Brief an Emanuel vom 3. November 1802 und eines Billets des Herzogs an Jean Paul (4. Abt., Bd. IV, Nr. 268) aus dem November 1802.