Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 19. und 29. April 1803, Dienstag und Freitag

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Bayreuth, 19. April 1803.

Mein naher Naher! Mancher scheidet sich vielleicht lieber auf ewig von seinem Beilager, als ich mich nur bis in der Nacht v. Sonnabend auf den DettoTag – (wo Du und sie wieder meine Beilagen seyn werdet) von der Beilage dieses Briefs, die eine treue Abschrift von zweien Briefen ist - die ich Dir nach Fta/M geschickt habe und die Dir ein weniges von dem Vielen sagen kann, was Dir zu wissen und mir zu sagen von Nöthen.

Eine zu große Ehrlichkeit, ist immer, wenigstens oft, eine nicht zu kleine Dummheit.

Ich wollte, ich wäre hätte dieses mal ein wenig weniger von letzterer dann ein wenig weniger von ersterer gehabt und hätte Richters Brieflein - was der Mühe eher verlohnt hätte, als meine - abgeschrieben, damit ich Dir auch eine Abschrift davon nach Bamberg in Arrest geben könnte.

|2 Du wolltest ja, wie Du noch in Deutschland warst, immer eine unglückliche Liebe; warum entlaufst Du denn einer erst gefährlichen auf dem Wege nach Deutschland?

Das Ende Deines hohen Liedes aus Fft machte mich Singen und Springen.

Wenn Du in der Nacht hier ankömmst – so wie ich es ganz gewiß glaube – so klopfe nur unten an den Fensterläden meiner Hausleute und sogleich an meiner klopfenden Brust an.

Von der Post hast Du nur einige Schritte zu mir, wo Du erwartet wirst.

Wir wollen Dir Deine Geige und Dich ihr und uns schon stimmen!

Bleib' ich Dir gut genug und Du mir gut: so möge – wenn ich vernünftig sie erlebe - das Schlußwort meiner Lebens-Periode seyn:

Thieriot.

B. 29t April

Vor einer Stunde wurde mir Dein Brief wieder zugelanget : ich will dessen leeren Raum benutzen u |3 Dir ihn gefüllt einräumen.

Gestern saß ich bei mir über meinem Diner und dachte daran, daß ich Dir, unter den vorgegangenen guten Veränderungen, die ich Dir in meinem letzten Brief aufzählte , auch die gute zu erzählen vergessen hatte, daß ich bei mir, in meinem Hause speise und Du also mit mir ganz allein.

Ist dies nicht auch recht sehr lieb, Lieber?

Überhaupt sollst Du dies Mal durchaus nicht wie ein Fremder, sondern ganz wie ein einheimischer Gast bewirthet und bedient werden.

Als ich so dachte und überreichte mir der Postbote ein Kistchen u eine Schachtel, sprechend:

"Ein Kompl. v. Herrn Fischer u Herrn Thieriot und da wären diese 2 Sachen; die Flasche wäre nicht emballirt gewesen und also zerbrochen."

Das hätte meine Freude nur dann ein wenig stören können, wenn ich nicht auf solche kleine Störungen stets vorbereitet wäre.

Mündlich sollen die Regeln, die mir dabei einfielen, hervorgebracht werden, wenn sie mir bis dahin wieder einfallen.

Mit der schönen Tasse hast Du mir eine sehr schöne Freude gemacht , mein Thieriot, und auch mit den Blumen, die ich sogleich selbst übergeben habe.

Hab herzlichen Dank, Guter, für Alles u lege mir ja keine Rechnung ab.

Es ist wahrlich Eins wer v. uns es bezahlt und mit wie viel ers bezahlt.

Der weisern Empfängerin hab' ich die weißern Blumen und der jüngsten / 2 und jüngern die röthesten / 2 |4 und röthern gegeben u wahrscheinlich Deinem Willen nach.

Die Mädchen zeigten dankbare Freude; sie danken Dir auch durch mich und wünschen – das sind ihre Worte – Dir bald mündlich danken zu können.

Amoene – das sind ihre ihr eigenen Worte – zeigte nichts und sagte nichts.Dafür hat sie aber auch die weißesten Blumen.

Der alte Unruh ließ sich am Donnerstag bei mir zum Thee ansagen und weihete mit Vergnügen Deine Tasse also sogleich ein.

Als mein jüngerer Bruder sie heute abwaschen wollte, fand er zu seiner und meiner herrlichen Überraschung, das womit Du und der Teufel beginnen und der Gott sich endiget, zwei mal.

Bin ich denn gar Nichts, daß Du mir sagst, Du schenkst Dich mir?

Profitiren will ich viel; aber geschenkt möcht' ich Dich in unserm Ichhandel doch nicht; nicht geschenkt möcht' ich Dich geschenkt!

Diesen Brief endig' ich, wo ich es selbst möchte, wenn es bald seyn müßte, im Gartenhaus.

Besuch es bald dieses Haus, in dem ich mich von keinem Menschen noch besuchen lies und das mir auch Deines u noch einiger fremden Besuches willen so lieb u werth ist.

Deinen ersten Leipziger Brief erwart' ich mit der ersten Leipziger Post und den Schreiber recht bald darauf. ADieu; mein Thieriot.

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 19. und 29. April 1803, Dienstag und Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1467


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

B: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Frankfurt am Main, 15. und 16. April 1803
B: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Frankfurt am Main, 21. April 1803
A: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Leipzig, 17. Mai 1803

Der Brief vom 19. April 1803 war auf Wunsch Thieriots nach Bamberg geschickt und dann von Emanuel wieder zurückbeordert worden. Emannuel beschrieb am 29. April die leeren Seiten und schickte den Brief erneut, diesmal nach Leipzig, ab.