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Frankf. a. M. 19 Apr. 1803

Emanuel

Hätt' ich das Felleisen, worin mein letzter Brief v. hier nach Baireuth stekte, plündern können, ich hätt' es gethan u. bloß diesen vergifteten Brief herausgenommen, der Dich in die falsche Erwartung setzt, ich komme jetzt schon. Nicht als glaubt ich, Du könntest meine Gegenwart nicht länger entbehren (da ich es ja auch können muß – u. da Du mir selber Mittel botest, länger in Paris zu bleiben) sondern weil ich Dich nicht gern mehr überraschen mag, am wenigsten so.Aber ich komme wirklich nicht 1, weil mich ein zu verdammender Husten so lange hier aufhielt und noch ein wenig hält – so daß ich Leipzig d. h. den 2ten Meßsonntag darin und mein daran hängendes Desperatiosprojekt eines dortigen Engagements alda versäumen würde, wenn ich einen so großen Umweg u. Abweg von Gelegenheiten dahin nähme. Einen 2ten Grund, den ich sonst nicht gewußt hätte, giebt mir glüklicherweise ein Brief an die Hand, den ich eben zugleich doppelt (von Paris nachgeschikt u. v. Leipz. in Copie) bekomme, daher ich Dir letztern beilege – u. der mich geradesweges nach Gotha treibt. – Ich habe große Lust zu dem Vorschlag wenn mir 1, meine schöne Einsamkeit nicht ganz zerschnitten wird 2, wenn die Sprache, in der ich lehren, sprechen u belebt unterhalten soll, nicht die französische ist – Auch über die erforderliche Gründlichkeit in den alten muß ich mich erst unterrichten ob ich sie habe – Aber sprich, wär es nicht schön u. zögst Du nicht einmal hin?

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20. Apr.

Die Frankfurter, diese schwerfällige Folie hebende Folie der französ. für die nachbarliche Folie, die mich der ihrer Grippe nur noch zu verdanken haben (mit der ich in Gesellschaften gehe u. auch geige) zählen mich ganz zu sich – ich fühle aber immer mehr, daß ich einen Hausgott in der Brust mit mir herumtrage, der ihrem und meinem eignen dummen Agiren stumm zusieht und vielleicht etwas höhnisch. – Darum glaube nicht, daß ich Dir, mein Emanuel, von Paris (allemal über Leipzig) etwas anders falsches mitbringe als falsche Zähne.Bloß die Dentalbuchstaben geb' ich verfälscht. – Und weil ich selbst auf meine Zähne zu sprechen gekommen bin, muß ich Dir sagen, daß meine Lippen, die nichts, gar nichts in Paris zu küßen gefunden, sich nach Deinen sehnen. – Was Weiber betrifft, so rechn' ich sehr auf die Töchter der Frau v. St. Gott gebe nur daß man sie lieben kann ohne sie verliebt zu machen. – Welch ein Geschwätz. pflegt man zu sagenLeb wohl und erwarte mich nur wenig Wochen später. Den Frühling, den ich zwischen Saarbrük u. Worms am 1ten Ostertag früh vor der Diligence hergehend in Thälern zwischen Waldbergen sah, hätt' ich noch lieber in Baireuth gesehn.

Deinen Brief an Willemer, den ich mir bestellt, krieg ich freilich nun wohl mit andern in Leipzig erst.

Leb wohl

Thieriot

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Frankfurt am Main, 19. und 20. April 1803, Dienstag und Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1468


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Bl. 4°, 1¾ S. Über dem Brief von Thieriots Hand: Eiligst.


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 26. April 1803