Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Bayreuth, 8. September 1803, Donnerstag
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Abends 1803
in der Jean Pauls Stube mit seiner Feder geschrieben, ohn daß ers weiß, weil er noch drüben mit der Frau v. Kalb sitzt, die heute angekommen – u so sitz' ich auch nur auf dem Sprunge und würde vor Eil gar nichts schreiben können, hätt ich nicht längst alles im Kopf concipirt u. ging' schon in den 3ten Tag schwanger
Mein Uralter!
Mit Segnen will ich beginnen und enden – aber die Frage ists, soll ichs mit Dich segnen – oder mit Mich segnen und übrigens fluchen auf die Circumstanzien, die gerade unser momentanes Verhältniß d. h. meines gegen Dich, immer trüben od. erschweren wollen
(Sogar das Aufklären – eben mußt' ich die Fr. v. Kalb nach dem Schwan geleiten)
|2 Mir ists nämlich als müßt' ich mich bei Dir und bei mir über vielerlei entschuldigen – d. h. als könnt' ichs nicht:
1, daß ich nicht mit Dir gegangen bin – doch darüber kann ichs, also
1, daß ichs Dirs erst am Tage vorher bestimmt sagte (u. doch nicht so daß Dus geglaubt hättest) und früher davon zu sprechen scheute.
2, daß ich auf Dein Nöthigen zu der dummen Bedingung griff: "wenn Du mich sogleich wieder herbeyleiten wolltest" anstatt wenigstens zu sagen: gehen lassen.
3, daß ich glaube, Du bist überhaupt nicht gut auf mich, wo nicht über Unaufrichtigkeit doch über Unaufmerksamkeit.
Bloß eines glaub ich, hab ich Dir gesagt: daß ich nicht so geschwind nämlich so verstimmt von Richter weg könnte.
|3 Es scheint aber, es ist ein Dämon in der Luft, der sein Vergnügen daran findet, meine Worte falsch zur Welt zu bringen u noch im Munde zu verdrehen – wie in der vielleicht in die unterste Hölle gehörige Barbiergeschichte.
Die Pfefferkuchen, die Du in meinem Kasten gelegt hattest, fand ich bald und zog damit u mit meinen andern Sachen noch an demselben Morgen in die erste Ottos-Stube hinten heraus, mit dem ehemaligen Vis-à vis.
Bei Richters geig u les u schrei u kindr' ich (bei der Emma.)
Mögest Du glüklich u ohne Angst durch Burgundstadt (ich mochte den fatalen Namen gar nicht herschreiben, Du kannst ihn aber, oder doch Altburgundst. zu Anagrammiren brauchen) passirt seyn. Warum wurde denn nichts aus |4 Bamberg u. Richter's Mitgehn?
Das ist mir jetzt, so wie manches, dunkel.
Ich gehe, wenn Wangenheim Wort hält, mit diesem Sonntags nach Seidenstadt b. Hildburgh. Dann erwart' ich hier den hies. Hof – Dann geh ich wahrscheinlich üb. Bamberg (wo die Kalb mich eben hin und dadurch nach München adressiren will) nach Baut hier
Warum gabst Du mir nicht das Ueber die Bletten?
12 fl. 19 xr setz sogleich auf meine Rechnung außer dem Drittheil Reisekosten.
Wir sprechen beständig von Euch – aber klagend – u. ich freue mich auf Euch u auf Dich
Thieriot
Grüß Ottos u Uhlfelder
|5 Frau v. Kalb riß inliegendes Couvert auf – das man ihr vorn in der Wohnstube zum Scherz präsentirte – daher das 2te
Zitierhinweis
Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Bayreuth, 8. September 1803, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1489