Von Paul Emile Thieriot an Therese Fürstin von Thurn und Taxis. Regensburg, 23. Januar 1804, Montag
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die Erbprinzessin von Turn u Taxis
(frühmorgens übersandt)
Die armen kurzlebenden Töne, deren Genuß im Nachhall ist, sterben süßer in einem weiblichen Ohr, das sie im Herzen begräbt – als im harten männlichen, das sie kaum beim Leben ehrt: aber vor allem süß doch in dem zarten feingewölbten der Kennerinn, die Richterinn ist, unter deren Schutz, in deren kunstvertrauten Arm die Musen sich flüchten.
Die Töne sind Seelen; Lieder und Tonstücke, ihre buntverschlungenen Reigen in der Luft. Der Violinbogen, dieser Prosperos-Stab, ist der kräftigste Beschwörer solcher irrender Geister, und die vier Saiten sind ganz natürlich die aufgespannten Saile und Jakobsleitern ihres Tanzes.
Einst (es war aber auf einem 23ten Januar 1804) hatte sich das bisher beschriebene luftige Volk schon früh zu einem Tanze geübt, den man des Abends in einem Saale (es war aber ganz gewiß der große im goldnen Kreuz in Regensburg) vor sogenannten Zuhörern performiren wollte. – Das müssen die armen Töne oft und die Leute nennen das ein wahres Glück machen. – Aber Eine sollte kommen, die liebten die Töne, denn sie liebte die Töne – es war die Kennerin, von der das obige Ideal nur die Kopie war.
Der Abend kam, die Sogenannten kamen, die Töne kamen u gingen – und Sie kam nicht. Die Töne suchten nach ihr im weiten Saale und fanden sie nicht. Neue gingen aus und fanden sie nicht. Trostlos daß sie nimmer an das ferne Ohr gelangen konnten sollten, verkehrten sie sich in Klageruf und Mislaut und dieser verwandelte sich wieder ganz plötzlich in –
Ruhe und Stille. Denn alles, ja die Töne selber waren nur geträumt gewesen (von wer weiß was für einem unruhigen Prospero) und es war erst die Vornacht vor der Musik, denn heute ist ja erst der 23te.
finden es gewiß verzeihlich, wenn ei m n so schreckbarer Traum, wie der erzählte, eine unschuldige musikalische Familie
Ew. Durchl. werden, das hoffen wir, diese Gründe erwägen, und uns Kindern – dazu zählen wir uns mit allen Genien – die Freude nicht verderben wollen, sondern hübsch kommen.
Ew. Durchl. werden es uns zu Gnaden halten, daß wir die Worte zu unsern Fürsprechern machen mußten, da wir sonst wohl wissen, daß das eben nicht der Weg war, um unsre Sache sonderlich zu verbessern.
Aber da wir noch so zu sagen Ungeborne sind, so können wir uns freilich auch noch nicht so gut ausdrücken wie wir vielleicht wünschten.
Wir empfelen uns, aber nch nicht ohne leise heiße Wünsche für Sie. Ihr ganzes Leben sey der Nachklang Einer hellen silberreinen Saite, aber nicht so kurz, sondern lieber (laßen Sie den Worten ihr Spiel) der Nachklang von Klang nemlich lang.
Die
Töne
von heute Abend.
Die Maskenfreiheit in einem Carneval erstreckt sich zwar gewöhnlich nur auf die Bälle u auf die Masken unter einander: indeßen nahm ich mir die Freiheit – Ew. Durchlaucht können Sie mir wieder nehmen – mich auf diesem Blatte in meine Violine zu maskiren, und Ew. Durchl. darunter anzureden.
Diese kleine schriftliche Anrede soll eine demüthige Einladung in mein heutiges Conzert vorstellen – welche persönlich und mit Art zu machen, in meiner Natur nicht lag.
untertänigster
Th.
Zitierhinweis
Von Paul Emile Thieriot an Therese Fürstin von Thurn und Taxis. Regensburg, 23. Januar 1804, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1526