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Wien Sonnabend 9t Juni. 04. (antw. 30 Juni)

Eben kommt Dein Brief "An Herrn Tonkünstler P. Th." zugleich mit einem Regensburger . Im Rausch der Seele hab' ich nur just noch Zeit ein Blatt zu brechen u diesen Anfang einer Antwort auf ihn zu veranstalten, die ich mich dadurch nöthige gleich hernach fortzusetzen und noch heute mit der Abendpost auszufertigen.

Gottlob, ich kann lesen.

Gleich hernach.

Gott seys geklagt, es war preßant genug. Mitte Juny – das ist ja in 6 Tagen – gehst Du mir bis Regensburg vermuthlich entgegen, wenn die gewünschte Antwort von der Jette kommt – und setzest voraus, daß ich über Regensb. muß – hast aber freilich unterdeßen schon meinen letzten Brief bekommen, wonach ich Ende Juny vermuthlich oder schrieb ich nur vielleicht? über Carlsbad nach Baireuth gehe. Zu dieser Stunde ist letzteres schon fast gewiß.

Mußt ich aber wirklich nach Regensburg? d. h. gehörte das je unter "meine Versprechen" bin ich also doch parzial wortbrüchig aus totaler Vergeßenheit.

So nehm ich hievon Gelegenheit, hiermit – so gut als ließ' ichs in die Zeitung setzen – meinen auswärtigen Freunden Ein für Allemal zu erklären, daß ich keineswegs mehr gehalten seyn will, künftig dergleichen Versprechen, als: sie übers Jahr um 4 Uhr zu besuchen, überhaupt alle Lustparthie-versprechen – wie ein bis gewißer Unbesonnener bisweilen für mich that, bei nachkommenden Abhaltungen zu halten oder so pünktlich zu erfüllen, wie ich sonst stets hoffe, daß ich thue.

W. s. z. a.

Paul Thieriot

Wien, d. 9 Juni 1804.

Verzeih und versteh den Spaß, Emanuel, der ein Ernst ist. Was? wenn ich mich nun, nach meinem alten einfältigen Wunsch hier bei irgend einer Durchlaucht hätte engagiren laßen, u nun wie eben jetzt Freunde von mir, plötzlich nach Ungarn oder Polen fort müßte?

Und doch wär' ich in so einer Lage noch von etwas Festerm abhängig als jetzt von Constellationen des Glücks.

Mein Handeln mit dem, mit dem man nie handeln sollte, ist jetzt ein Spekulationshandel; und da ich ohnedem hierin Böcke genug schieße und melke, und es nicht gern thue: so darf ich, gern, keinen Fußbreit gewonnenen, kaum Einen gewinnbaren Landes, dem Lebensgenuß, der Freundschaft aufgeben, die es, wenn ich sie verstehe, nicht einmal verlangt – ich müßte denn (was vielleicht nicht mehr fern ist) den ganzen Handel aufgeben. etc –Th.

Sonderlich nachklingt der letze geründete Period, und meine Dankungsart läßt mich in mehr Verwunderung als Dich. Aber sag' ists nicht Deine Meinung auch?

Wer sagte: Du solltest anders lieben? – Liebst Du nicht rein die reine bloße Liebe? Die Weiber und Männer wie ich lieben freilich leichter die Kraft, selber die lieblose.

Mein Herz ist noch zu haben – bei der Ehrensache fehlte bloß der Topf –

Th.

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Wien, 9. Juni 1804, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1544


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