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|1 An Emanuel
Off. a/M 19. Jan. 5
Vormittags

Mein Sokrates.Ich wollte Euch eben fragen, warum Ihr diesmal im Briefkartenspiele gleichsam das Paßen (Paßenlaßen) übernehmt; während ich immer frisch ausspiele – hier meine 4te Karte – da ich doch nicht weniger weiß als daß ich die Ehre habe, Ew. (Emanuel, Richters) einziges Haus hiesigen in Offenbach a/M Residenzflekens zu seyn – als

Abends

6 Stunden nach Schreibung voriger Zeilen (bloß auf einem andern Blatt,) die erwarteten Briefe eintrafen. Gott, dem ich meinen Dank dafür gab, geb' ihn weiter!Ich bin jetzt schon seit Stunden in Bayreuth und dring' Euch zu Thüren und Guk-Fenstern und Augen h in er ein, u. mache mit Gewalt alle noch einmal hell und lachend, eh ich sie sanft zur Ruhe schließe. Es ist schon 9½.

Ich folge Dir und folge, mein wieder geliebter Geliebter, heiß bitter Geliebter!

|2 Auch im Sommer werd' ich nicht weit reisen , da ich schon die Reise nach Fft scheue, ja jetzt die nach Offenbach, und da das Musikhaus dann erst am schönsten wird. Ob wir hier oder im Wilhelmsbad ufer unser l L enz en - und Sommerlager halten wollen, darum muß ich erst mich und dann Sachkundige Leute befragen, die sich auf Himmel verstehen. Es kommt dabei sehr auf meinen neuen künftigen Contrakt an , bei dem es noch mehr auf meinen schon gefaßten Entschluß über jene Punkte ankommt.Theile mir unterdeßen Deine beiläufigen Gedanken darüber mit.

Gewiß Dein Brief hat mich neu bestärkt in meinem Halten an (fast von) Offenbach, sonst wollte ich verdrießlich genug werden über den verdrießlichen dritten Brief und über Dein Nichtunterschlagen deßelben – ich würde 2 neue Schreibe u. Lese Grundsätze aufstellen, die ich aufstelle: 1, die Ode Epistel verewige doch nie trübe oder dumme Stunden / Stimmungen (die selbst der Klügste hat) u. 2., der Empfänger kümmere sich nicht soviel um die Kümmerlichkeit des hier geschrieben habenden Moments, sobald er den ganzen Schreiber und ganzen Mann so kennt, wie kaum Gott sich schmeicheln kann zu selben zu kennen, aber Ihr. mich.

|3 Wenn ich also noch 57 mal mündlich seufze und 75 mal brieflich; wenn ich mir und Euch weismache, ich sey nicht nach Würden logirt und bedient, könne die Nachbarsgeigen nicht überleben, meine besten Ideen daran versterben sehen hören , und sey überhaupt ein geborner Herr von Thieriot und gentleman und mehr Kunstbeschützer als Schutzkünstler, wenn ferner B. vielleicht nicht der Mann ganz wäre, wie ich und Du mir den Contrast wünschten (unisoniren sollt' er freilich nicht eigentlich mit mir, aber doch – bist Du nicht in mir? – mit D m ir) wenn endlich noch zehn wenn's kämen: so solltest Du wißen, was Du weißt, nämlich daß ich innerlich ganz anständig jubele und alles was nicht erster Geiger in Offenbach ist, mit aller Bescheidenheit auslache. Auch ist zu dem SelbstBoksstreich od. Stoß, der mich aus einem so weichen Damensattel heben könnte, noch gar keine Anstalt gemacht.

Laß mich etliche noch inhandene Grundbalken (Steine hat es nicht) oder Pröbchen Muster vom Musikhaus an Richter geben. – Wollte! Gott ich könnte meine hiesige Lust mit euch theilen, die mir allein oft zu groß ist, sowie sie uns zusammen vielleicht zu klein wäre.

|4 Dafür, Freund, und für das was Du nicht mit mir theilen halbiren kannst, laß ich Dir die Emma neben Dir.Küß mir sie noch einmal und erküß mir sie nicht.

Das schöne Kind, die d'Orville , hat gar zu so unschöne Kinder ; und der große Affe, der Vater, glaubt genug für ihre Erziehung Verschönerung zu thun, wenn er sie alle Morgen und Nachmittag einmal abschmatzt.Fürchterlich ist das Weltvolk. – Mein Freund ist noch ein Engel darunter Schaf unter den Böken, und läßt sich die gröbsten Wahrheiten so gut sagen wie die gröbsten Falschheiten.

20. Mitternachts

Eben komme ich von Hofmanns herauf, woheute / Sonntags nach vollbrachtem Conzert ungewöhnlich nicht nur gevöllet u. geschwelgt ward (d. h. etwas mehr da war als Kartoffelsalat) sondern auch gesprochen. Ich selbst las abwechselnd mit dem Bruder der Schwester die Moral über einige Welt- u. gene Zwangsvernachlässigungen scharf (die Hexen im Conzert hatten über ihre Art den Hut aus dem Gesicht zu setzen gespöttelt) Entweder – oder, sagten wir. Man muß sich von der Welt ausschließen, oder nach ihren Gesetzen leben. – Aber gute Nacht, meinSpottvogel / Lachtaube.

Dein Thieriot

Schreiben Sie!

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Offenbach, 19. und 20. Januar 1805, Sonnabend und Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1571


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Textgrundlage

H: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 4 S.

Überlieferung

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 1, S. [56]–[59] (unvollständig).


Korrespondenz

B: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 16. Januar 1805

Präsentat: Am 3t-6t Febr. beantw.