Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Offenb. 2. Mai 5

Gieb / Kannst Du mir je wieder einen Auftrag geben Emanuel!

Das ist mein erstes Wort nach Deinen Briefen , die ich fast sämmtlich wiederlas. Laß mich den Eindruk davon auf mich, Dir dem Geber ehrfürchtig wiedergeben.

DU strahlst aus allen.Die Schönheit der Richterschen Briefe erscheint in dem einzelnen: die Deiner erst in der Sammlung.

Wie konnte dieser DU mich, wie konnten Wir mich so sehr lange ertragen! Wie klare Augen brauchten "wir", um durch soviel trübenden Schlamm überall auf den doch guten Grund zu sehn!

Mir ist – aber auch durch andre Mit-Wirker – als verstünd' ich erst jetzt Deine Liebe d. h. erwiederte sie, Emanuel. Hilf mir beten und arbeiten, daß ich so bleibe, an jedem Tage (nicht bloß des ganzen Junius) Dich so neugeboren vom Himmel empfangend, wie heute.Und so genug! –

Schon am 1tenMai Nachmittags

wollt' ich Dir meinen still gewesenen ersten Mai beschreiben, und hielt schreibfertig über dem Papier, als ein wüthendes Heer von Dilettanten und Stutzern d'Orvillen , d'Orville meinen (den nicht immer zartfühlenden) an der Spitze , in meine sonst ziemlich streng behauptete |2 Einsamkeit Clausur einbrachen, meine Geigen aus dem Kasten rißen, in meine die Papiere auf dem Tische sahen, und mich ihrzend u. geigend zum Geigen loken wollten. Sie waren ein wenig voll vo m n Tisch; und ich brachte sie noch mit guten Sitten zur Thür hinaus: aber ich grolle seitdem mit d'Orville, der mich überhaupt seit einiger Zeit ganz fein zu nießnutzen anfängt oder doch trachtet. Ich vergäb's ihm, macht' ers so fein, daß ichs gar nichts merkte. Denn es ist einem Geiger widrig mit sich geizen zu müßen, bloß aus revanche.

Schöne Liberalität meines verlornen "dritten Vaters" ! Ich Wir und Offenbach beklag t e n ihn immer mehr.

Du d. h. ich muß aus diesen meinen Aeußerungen schließen, daß meines Bleibens nicht mehr lange ist – doch sag auch ich, d. h. Du: Solang ich noch keine andre Geiger-Stelle habe, die mich gegen das Reisen in Schutz nimmt – und so lange das Hier-Leben noch leblich, unter Hofmanns und Benedikt ist: so lange bleib ich.Denn Geiger bleib ich noch 5 oder noch 25 Jahr, d. i. leicht noch länger als Athemholer.Es ist eine Verdammniß.

Nimm meinen Glük-wunsch u. glauben zu Deinem neuen Geschäfts-Aufzug als schwachen Ersatz für die [...] Mauses tille anderer. Al |3 lein ich beding' uns, daß es dabei Streit giebt, mit etlichen OrtsMagistraten, einem halben Herzog, und mit Kaiser und Reich.

Was bin ich für ein Flegel gegen Dich

4.ten

und doch kann ich nicht 2 Tage müßig seyn, ohne trübe zu werden und hypochondrischen Bodensatz aufzuwühlen – welches weder mir (da es auch beweißt daß ich sonst zu viel arbeite) noch der Menschheit zum Ruhm dienen mag, daß es so ist.

Meine neue f j unge Liebe verspricht auch keine ewige Jugend! – Der Bub ist od. wird mir zu ähnlich.Seine Miene wechselt Gesichter wie meine Stimmung Seelen.Ein 13jähriger Humour hat mir etwas Gefährliches. Was Richter'm?Indeß handl u. sorg ich viel für ihn, u. hatte, unter andern, schon ein Schreiben an den Curerzkanzler für ihn im Kopf aufgesetzt, aus dem nichts wird. Sein sich zu Tod für ihn arbeitender älterer Bruder hält ihm einen englichen u französ. Meister, und ich ihm e. Geig- einen Vorles- einen Verseles- (weil er Schauspieler u. Schauspieldichter wird u. ein großer) einen General / od. erst Korporalbaß, u. nächstens lateinischen Meister, Spielkameraden und väterlichen Freund in 1 Person. – Ich wollte Du sähest ihm ins Auge. – Gings, ich nähm ihn und die Eva Hofmann und käm so mit Offenbach unterm Arm nach Baireuth.

|4 Ich wollte erst das ganze Oktavblatt für Dich leer weiß laßen, dann doch noch diese Seite für Deine Kleinschrift. Am Ende kriegst Du nichts.

Indeßen erlaube mir hier, da ich doch nicht so gut schließen kann wie ich angefangen, und da ich die Leute haße, die nicht einmal den Muth haben fort zu gehen und sich zu empfehlen, und da ich mich schon lange verstimmt habe, aus eigner Kraft und Macht zu schließen, und nicht einen keinen Namen mehr zu schreiben, nicht einmal ein Wort.

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Offenbach, 2. und 4. Mai 1805, Donnerstag und Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1592


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 3⅓ S.

Überlieferung

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 1, S. [62] (unvollständig).


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 14. und 17. Mai 1805

Präsentat: 17t M. beantw.