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Offenb. 1805

Tausendmal küß ich erst Deinen Brief eh ich ihn aufbreche. Ich war heute (Sonntag 28. Jul.) gut u froh u oft bei Dir.

Montag / 29. Jul. Abend 10¾
nach dem (All)Nachteßen bei Hofmanns .

Gewiß hat die H. "viel eigenes" (in einem frühern Briefe v. Dir) ja Alles an ihr muß eigen scheinen, ein untheilbar Ganzes von Reinheit u. Eigen Starr sinn, Scharfblik und Ungelehrigkeit, – Verächterin aller Mittel-Wahrheiten, Maximen, guter Vorsätze, wo der gute Moment de m n schlechterm befiehlt zwingen soll, immer gewohnt ganz zu seyn, zu fest an sich glaubend u. kein zugeschobenes Unrecht selbst auf ihrem Verstande leidend, dann verstimmbar und des allgemeinen Sachbezugs nicht fähig scheinend.

2. Aug.

Für die S. aber zeigt sie entschiednen – Abscheu schamhafte Furcht., bis für ihre Person, und alles was sie von ihr annehmen muß, |2 weil sie uns, mir u. ihrem Bruder und Dir nicht folgen will (wieder von einem sonderbaren unpraktischen unnützen Zöger Reflektir - Resignir Unschik- Nichtbegreif- und SchwatzKlag Trotz-zuge in ihrem Charakter her, es ist aber das ausgestrichne auch mit oder ich kann ihn überhaupt nicht definiren – sie geht eben komisch stampfend auf und ab und sagt unter andern die Wörter Miserabel und Fatal und Was will sie nur? der S. zu schreiben d. h. nochmals bestimmt gegen ihre Briefe u. Geschenke zu protestiren. – Was kann aber die S. berechtigen, die Gekannte so zu quälen, und noch dazu mit an und in sich so unnütz unkräftigen Briefen.

– Sie hält Alles (Kränklichkeit, Güte pp) an ihr für falsch. Besonders seit sie sie in Baireuth u. zuweilen bei Dir weiß, ist ihre Abneigung u. Mistrauen zu einer Erbitterung gestiegen, die äußerlich fast wie Weiber-Neid aussieht. "Sie möchte sie von Dir ziehn – wenn Du Kinder-Mädchen hättest, würde sie Dich gewiß warnen." Aber unter Allen diesem liegt noch etwas Geheimes[...], das ich mit Dir, Freund, wie dieses ganze Blatt, nur allein |3 theilen kann. Ja ich muß, da Du Freund mir vielleicht falsch deutenden seit einiger Zeit auf so etwas zu deuten scheinst.?

Die gute Eva, die in ihren Dreyßigen zum Iten mal (vor dem Jahr) aus ihrer 6 Brüder u Mutter Haus und Schooß kam, mag mich wohl für einen Adam ansehn – sie empfindet für mich, was sie gewiß nicht Anlaß suchend (außer da sie an meinem Namenstage PeterPaul mich Abends mit einem Blumen u. Lichterfest empfing und ich sie, aber wie halbgezwungen küßen mußte) aber desto lebhafter schweigendsprechender äußert – und ich, der sie zu meiner Schwester, ja ich denke zuweilen es wäre möglich, zu meiner täglichen Frau machen könnte , nein es ist nicht möglich denn ich kann sie nicht als Geliebte denken, mich nicht als Liebend – ich verwirre mich, laß mich darüber nicht reflektiren – aber kurz Wir sind, Du thieriotischer Emanuel, bist jetzt darüber im Klaren, im Reinen, daß ich nur zu rein, leer in dem persönlichen Verhältniß dastehe.

Ohne das Geschlecht wäre sie u. ist sie mein Freund, so wie sie Dir's werden muß, Engel, Genius, erscheint sie mir oft. |4 Von der (wie es scheint, ihr nun dazu gratulirenden) Schukmann – dem dritten falschen Ding unter uns (das erste zweite war ihr eignes halblauniges Küßchenfoderndes halb verlegnes Sichnehmen mit dem Geburtstags 17ten Febr. , und das erste ist wenn man will, ihre Liebe) sprechen zu hören oder zu müßen, mit dem streitseligen Bruder, mit dem schelt und fluchseligen Freund – bekommt ihr und uns immer so übel, macht sie s d ie Gesunde, so ordentlich krank, daß ich ihr habe etwas versprechen müßen, was ich Dir nicht sagen will, damit Du nicht unnöthig Dich aus einer vielleicht eintretenden Verlegenheit zu ziehen hast.

Freund ich danke Gott, daß diese Worte geschrieben sind – möge meine Trübheit dabei nicht zu sehr auf sie gewirkt haben oder auf Dich wirken! Reiner heiliger Emanuel des Emanuel!

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Offenbach, 28. Juli bis 2. August 1805, Sonntag bis Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1602


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Textgrundlage

H: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 4 S.

Überlieferung

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 1, S. [62]–[63] (unvollständig).

D: Abend-Zeitung, Nr. 13, 16. Januar 1843, Sp. 102 (unvollständig).


Korrespondenz

B: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 21. bis 24. Juli 1805
A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 31. August 1805