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Offenbach 31 Okt. 1805

Emanuel!

Schreib in meinem letzten ein "Hört" vor: "Meine guten Freunde, und ein 3tens nach dem ersten 1, u 2, laß mich hinzuschreiben (3, von andern Schulden die ich auf mir habe) Sonst hab ich da nichts zuzusetzen.

1. Nov.Allerheiligen
Nachts

Auch heute nichts zu diesem Selbstbewußtseyn, unendlich viel zu meinem Wißen.

Da ich schrieb: Liebende oder Freundin; hofft ich noch, und wußte nicht.

Auch heute ist eigentlich nichts neues geschehn, ich habe nur beßer gesehn u. gehört.

Behüte mich o Gott, daß ich nicht mehr Vergnügen finde, solche Einsicht, andern und in mir zu entdeken, als Schmerz u. Faßung.

Die Eva ist ein ungebändigt Weib,

In seiner Ruh das Schönste auf der Welt,

In seinem Trieb das Häßlichste der Erde.

Der Mann kann sich an ihm nur scheiden wenn er es nicht bändigt, nimmer Es sich vereinen. –

er wäre denn Gott. (Denn es ist alles ganz.)

– Darum ist ihr rührend Auge schön, wie der Madonna, ihre Lippe frey wie der Sünderin.

Darum bin ich dieses Genius nicht werth und darum sie nicht dieses Leibs u. Arms.

– Sag es Richter, wenn Du willst: "Sie nimmt keine Gründe an."

|2 (Nachts) um 1.

Liebe Eva, mögest Du das überleben, daß ich das jetzt schrieb und daß ich Dir beim Gehen diesen Abend keine Hand gab!

Gute Nacht, Emanuel!

2. Nov.

Guten Morgen, Emanuel.Ich gehe die künftigen Nächte früher schlafen und ich pake bei Tage. Bei Hofmanns denen ich einen guten Morgen und etwas sagen ließ, ist alles wohl.

Ich schreibe Dir auf meine Weise fort, einen Abschiedsbrief an die Eva.

Gott! Eva! sey Ihr Schutz und Ihr Vertrauen.

Was ist, das ist; Was Sie fühlen , das fühlen Sie: das soll Ihnen niemand abstreiten oder verschanden . Sie fehlen nicht auch wenn Sie zum Fehler führten: Denn Sie folgen Ihrer Natur: aber der Mann könnte fehlen, der Ihnen folgte. Denn dann folgten Sie wieder (Sie müßten) dem Manne , und nicht mehr Ihrer Natur: Sie fehlten, Sie fehlten sich, es fehlte an Ihnen im Himmel!

Was wird das wird, das ist nur im Werden: das ist unser Leben.Erhältst Du Mensch ( nicht Weib.) darin – Dir Gott – Dein schönes Seyn, läßest Dein Sein scheinen in der Welt. Wirst was Du kannst in Deinem Kreise, thust Alles nächste gut, bist gute Tochter, Schwester, Herrin |3 Freundin, merkst auf die Stimme treuer Freunde, nicht auf die der Narren, lernst Dich immer klüger, wirst – ja nicht beßer, nur beständiger und offenbarer gut: so lohnt es Dir auch Gott, des Lebens Herr, durch immer jüngere Jugend, frischre Freude; und ruhiger "bewegst Du Dich im Licht und unbewegter ruhst Du Lichtgesicht" Du bist im Werden – Wirst immer wieder im Seyn.

Fürchten Sie nicht, Sie folgten schon dem Manne, wenn Sie auf diese Stimme merken. Denn es ist nicht der Mann, der hier zu Ihnen spricht, sondern ein Mensch, durch den Gott zu Dir, Mensch!

4. Nov. früh

Ich schikte nichts als "Guten Morgen". Mir war ich spielte Gott (s. d. [...] 1t Soltg.)

Guten Morgen: wie durft ich Dich ihr schicken? .. O. Doch eher als daß ich – der ich die erste Seite schrieb Thieriot – vom Einpaken außer-mir gestern Abend noch – dort war, dort saß, dort aß, dort schwatzte, 1 – Traumverloren – zuletzt, 2 Augenblik mit ihr allein die Andern hinausgeschikt,, unter plötzlich glükwünschenden Worten für ihr Billet des Morgens – unter ihren letzten "Macht mir nicht so sehr Angst, lieber Thieriot". 2 mal sie küßte – dann erst schweigend schied. Wie durft' ich sie loben? Worte Worte!

Aschaffenburg 4.ten, Ab.

Emanuel

Ich werde doch nicht mein "dummes Meisterstük" gemacht haben, weil ich klug werde.

Welche Geduld hast Du denn mit mir gehabt, diese lange Zeit meiner Kurzweil über, Du mein Ernst! Und was braucht ich als einen Blik durch alle Deine Briefe?

Ich will Dich nicht loben – wollt ich sagen – bis ichs kann.

5. früh

Träumtest Du nicht diese Nacht von mir? – Du kamst, wie der Donner plötzlich, zu mir, gingst mit mir unter Welt – – fingst auf einmal in einer Gesellschaft an hebräisch zu predigen, bis Du zu einem 5sylbigen Wort kamest es war Diatartaron – das Du dann in Einem Athem ohn End wiederholtest – so daß die Weltleute sich verwundern mußten und ein Herr über den langen Athem Bravo sagte. –

Geträumt genug!Bleibt Dein Israel oder bis wenn nur?

Ich bin hier gut u. genüghaft aufgenommen u. muß gar nicht betteln.

Gute Stunden hatt' ich in Offenbach. Gute Tage Gute Wochen, wann komt ihr? Wann "ruht er bei Dir aus, Dein Thieriot? Wann" führen wir ein ordentliches Leben auf?

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1schon Wünsche nach Aschaff. in ihr entstehn sah
Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Offenbach, 31. Oktober bis 5. November 1805, Donnerstag bis Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1628


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Textgrundlage

H: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 4 S.

Überlieferung

Hk: BJK, Berlin V, 138
1 Bl. 8°, 1 S. (unvollständig und auf Vorder- und Rückseite verteilt; zusammen mit anderen Stellen aus weiteren Briefen an Emanuel, eingelegt zwischen S. 8 und 9 von Heft 2 des Briefkopierbuchs der Briefe Thieriots an Emanuel).

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 2, S. [9]–[12] (unvollständig).


Korrespondenz

B: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 22. Oktober 1805
A: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Aschaffenburg, 13. November 1805

Präsentat: Am 13 Nov. beantw.