Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 29. Dezember 1805 und 1. Januar 1806, Sonntag und Dienstag

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Bayreuth, 29ten Dec. 1805.

Mein Thieriot ! "Ich rief den Frieden den die Feen Dir, Du unglückliche Menschheit, das neue Jahr feiernd, schenken mögen.

Er finde Dich, der göttliche Frieden! am Anfang einer neuen Zeitrechnung ganz getröstet – ganz froh; o wie macht er den frei, der jetzt vor Angst kaum aufathmet!"

1806 .

Guten Morgen des Jahrs und des Tages, mein Thieriot!

Hier hast Du mein erstgebornes Wort, dem noch kein mündliches vorangegangen, weder an mich, noch aus mir.

Eben unterbrach mich meine alte, ehrliche Haut von Aufwärterin, mit ihrem Neujahrswunsch, den ich mit Dir theilen will – denn sie meint es dumm und gut.

So meinen es wenige Diener mit |2 ihren Herrn.

Ich habe gar keinen neuen Wunsch zum oder im neuen Jahre für Dich; möchten meine alten, herzlichen, reinen erfüllt werden!

Friede sei zwischen den Menschen und in ihnen in diesem Jahre.

Friede sei in mir und in Dir, mein Thieriot!

Zum Frieden bringt es wohl kein Mensch – bis er Ruhe hat; aber ich möcht' es gar zu gerne zu einem zeitlichen Waffenstillstand bringen – um einst einen ewigen Frieden – nach dem Schluß – abschließen zu können.

Aus diesen Bildern siehest Du wie kriegerisch es bei uns aussiehet – und doch glaub' ich fest, daß sich unser Krieg vor dem Frieden verkriechet.

Vergangnen Sonntag, am 29ten wollt' ich Dir schreiben, wie Du es aus den schönen Wortspielen meiner Voigt, die Dich oft grüsset, ersiehest, aber der Abend kam |3 ins Haus und mit ihm Richters, Ottos und Uhlfelders, mit ihren Punsch, mit diesem Leben und in uns allen reine Freude.

Unter allen Menschen die es auf der Erde giebt – es sollen ihrer, dem Ansehen nach, 1000000000 seyn – hab' ich und mein Israel uns einen einzigen noch zu uns gewünscht und das warest Du, unser Thieriot!

Sprichst Du von meinem alten Juden, dessen Bild ich habe und der im 102ten Jahre vor einigen Monaten gestorben ist?

Richter läßt Dir schreiben, warum Du ihm nicht schreibest?

Caroline will wissen, wann Du kommest?

Deine Tante, die Dich "recht herzlich" grüssen läßt, ist in Sorgen über die große Reichspostverkleinerung .

Ich selbst glaube, daß der gute Braun wenigstens in der Zukunft Schaden haben wird, in so fern er nicht steigen kann.

Von der franz. Kayserin hat er, für seine Begleitung nach München, eine |4 sehr schöne goldene Dose bekommen.

Mein Geschäftskreis sollte eigentlich ein beständiges Geschäft seyn.

Handeln d. h. Wirken dazu bin ich da, alles übrige – Ihr möget sagen was Ihr wollet – ist Nebensache bei mir.

Ich habe das Glück stets den Geschäftsmann vom Menschen richtig und ganz bestimmt zu trennen und habe einen Geschäftsblick – der es verdiente mehr benutzt zu werden als ich Lust und Liebe dazu habe.

Vielleicht – wahrscheinlich hätte – wären einige Batzen mehr auf mich gewendet worden – etwas besseres, vielleicht etwas gutes und etwas glückliches aus mir werden können; aber es geschah nicht und so wurd' ich – wie ich wurde.

Nehmet vorlieb, Alter!

Mein Uhlfelder und mein Israel grüssen Dich auch recht herzlich.

Zeige uns bald Dich und wir wollen Dir uns und unsre Freude zeigen.

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 29. Dezember 1805 und 1. Januar 1806, Sonntag und Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1642


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 4 S.

Überlieferung

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 3½ S.

D: Berger, Thieriot, S. 49 (nur einzelne Sätze).

D: Abend-Zeitung, Nr. 29, 3. Februar 1843, Sp. 226–227 (unvollständig, ungenau).


Korrespondenz

A: Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Aschaffenburg, 12. Januar 1806