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Heidelberg den 18 Januar 1818.

Hier, liebster Abraham den Brockhausischen Contract versiegl' ihn, unterschreib ihn, und schik' ihn dem wackern Mann sogleich zu. (Hrn Brockhaus aus Altenburg gegenwärtig zu Leipzig. Nicht Meadure for measure komt in den ersten Band, sondern much ado about nothing, und jenes Stück komt erst in die Mitte des zweiten Bandes. Ich hab' einen historischen Grund dazu. Den Sturm hast Du schon; nächsten Freitag folgen die drei andern Stücke nach. Ich sende sie geradezu an Fröbel. An den Anmerkungen arbeit ich mit dem größten Eifer. Mit dem, Sturm bin ich beinahe fertig. Ein guter Gedanke von Brhs, daß die Anmerkungen hinten gedruckt werden. Hier kommt mir mein Auswendigwissen des Shakespear trefflich zu statten. Ich fasse mich so kurz wie möglich, rede manchmal im Lapidarstil. Der Vater hat mich gebeten, zu allen Stücken die Anmerkung zu schreiben; ich thue es gern und auch zu den Deinigen will ich sie schreiben, da ich einmal im Zuge bin, und du ohnehin das Mühsame der Correctur besorgen wirst. Anfangs ging ich mit Scheu an die Arbeit, aber jetzt gewährt sie mir den schönsten Genuß. Die Arbeit ist auch lang so mechanisch nicht, als ich dachte. Ich mische auch kleine ästhetische Bemerkungen ein, aber mehr unbedeutend, als ausführend. Dann samml' ich Tag für Tag meine Gedanken zu einer stattlichen Vorrede, in der ich mich aussprechen will über Shakespears Sprache, Verskunst etc. Die wird aber unter sechs Wochen nicht fertig, aber dann gewiß. Sie muß gediegen seyn, und erfordert drum einen mühseligen Sammlerfleiß und die schlagendsten Beispiele. Schreibe Brockhaus das, mit der Versicherung daß es gewiß nie am M. S. fehlen werde.

Gegen Ostern geht auch der Vater wieder an seine 5 Schauspiele, die nach meiner Bestimmung |2 seyn werden, König Johann, König Richard 2., Julius Cäsar, Troelus u Cressida, und Perikles. Du lieber Abraham, liefere mir nur zum August die drei Stücke von Heinrich 6. Es ist zum Erstaunen wie schlecht Schlegel den Heinr IV. übersetzt hat. Jean Paul, der den größten Theil meiner Uebersetzung entstehen s t ah. hat alles verglichen, und sich über die totale Verschiedenheit beider Uebersetzungen gewundert, und der meinigen, etwa 10 Stellen ausgenommen die wir gemeinsam beßerten, durchaus den Vorzug gegeben. Das freute mich und gab mir, eine gleiche Norm, wie Göthes Beifall. Die letzte Hand ist noch nicht angelegt, kaum die vorletzte. Jean Paul hat ein öffentliches Wort über unsere Uebersetzung versprochen, welches er auch dir mit herzlichen Grüßen sagen läßt. Bald kommt er wieder, der Heilige! – Die Personenverzeichniße der Stücke werden von mit genau revidirt. Auch hier darf nichts verkehrtes seyn, so unbedeutend die Sache auch scheinen mag. – Unser Vater, dem ich den Plan meiner Vorrede mündlich vorlegte, ist durchaus zufrieden damit, er meint, das werde auch den Recensenten ihre Pflicht erleichtern. Allerdings sie brauchen dann nur abzuschreiben. – Ich bin jetzt so begeistert für den Shakespear, daß ich Abends vor Sehnsucht, es möge wieder morgen seyn, kaum einschlafen kann. Und Morgens um 5 sitze ich schon wieder dabei. Ein schöner Gedanke, nach hundert Jahren noch gelesen zu werden, und bei Gott,! das wollen wir. Billig sollte einer nichts schreiben, was hundert neben ihm eben so gut könnten. Drum lehnte ich auch Brhs Antrag ab, Erklärungen auf Shakespear Kupfer anzufertigen. Sollte ich dem Mann leichte Waare geben, wie Böttiger? Dafür |3 achte ich ihn zu sehr, und laß mich hinzu setzen, mich selbst noch mehr. Wollte ich aber gediegenes liefern, wie sich von selbst verstand, so hätte es meine Zeit für unsern Shakespear eingeengt. O. Hätt' ich nur die Zeit die mein Nachbar hier zu viel hat, der verschnarcht seine 14 Stunden und vergeht in den übrigen vor Langeweile. Nun besorge den Druck gut, es sei gar kein Druckfehler darin. Alle Theaterweisungen werden in Klammern geschloßen, nur die erste jeder Sammlung nicht; die Anweisung des Ortes. Dann trage in Rücksicht der Weisungen alles, was auf beiliegendem Blatte steht, in das M. S. des Sturmes ein. Auch in dieser sogenannten Lumperei muß die höchste Ordnung und Uebereinstimmung sein, sowie in der Interpunction. "Ich danke dir (schrieb mir Jean Paul neulich) daß du meinetwegen Siebenkäs (der bei Engelmann gedrukt ward) so scharf kämmest; die Drukfehler wollen mich immer wie die Läuse den Herodes oder Sulla verzehren – Jean Paul hat Recht, Druckfehler sind des Schriftstellers halber Tod. – Von den 40 Freiexemplaren erhälst Du 10 und ich auch 10. Von den Deinigen lieber Abraham, mußt Du durchaus eines an unsern theuren Dörnberg geben. Lieber entbehre einem andren eines. Von meinen erhält eins Jean Paul. – Verzeihe diesen Durcheinanderbrief. Wer von 5 Uhr bis halb 12 ununterbrochen am Shakespear saß, hat Recht müde zu seyn. Nun will ich auf die Kapfabrik zum Mittagsessen und aus Viel Lärmens um Nichts vorlesen, wozu sich gross und klein freut. Grüß alles, was grüßbar ist, nur die schoflen nicht. Frau und Kinder küß. Dem Herrn N. N. gieb einen Tritt in den Hintern, wenn Du es höflich zu vollbringen weißt. Grüß Göttling und Fröbel

Dein
Heinrich

Zitierhinweis

Von Heinrich Voß an Abraham Voß. Heidelberg, 18. Januar 1818, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1698


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Textgrundlage

H: Sächsisches Staatsarchiv, 21083 F. A. Brockhaus, Leipzig, , Nr. 388
1 Dbl. 4°, 3 S.