Von Paul Emile Thieriot an Emanuel Osmund. Wiesbaden, 30. September bis 29. Dezember 1826, Sonnabend bis Freitag

Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Wiesbaden
Hieronymus 30. Sept. 1826

Wie dieß Papier mit dem zusammenhing, daß das Du jetzt in Händen hast – wie unsre Gedanken beisammen sind, wenn meinen Brief auf seinem Wege an Dich nichts aufhielt –: so können zwar unsre Hände heute nicht wie vor 25 Jahren in einander verwachsen. Läßt aber uns Gott sie künftig nur für Gutes und zu gutem Erfolge regen: so sind wir vereinigt genug, bis vergönnt wird, auch Haut und Auge in sinnlichere Nähe zu bringen – mein Auge besonders zur Erquikung im Anblik Deines Hausvaterstandes.

Ab. nach 9 Uhr

"Ich komme eben spät nach Hause, und denke Deiner auch ohne zu schreiben" dacht' ich eben u. da steht es geschrieben! Ich habe eben wieder einmal gegeigt und |2 vielleicht Leute damit erfreut. Aber was besonders mir in der hiesigen Umgebung mir diesen Tag schmükt, das ist, daß ich Dir nicht zu klagen habe, was ich noch heute früh glaubte zu klagen zu bekommen. (Beiläufig: Als ich diese letzten Worte schon in Gedanken aber noch nicht geschrieben hatte, suchte ich fast eine halbe Stunde lang eine Lichtputze, und hatte mich schon mit einer zweiten versehen, bewaffnet, mußte aber glauben, die erste wäre mir gestohlen, und mußte auch argwöhnen, von wem: als ich mit Gewalt von dem Aergerlichen mich los machte und auf den obigen brieflichen Jubel über Heute zurükkommend neben diesem Blatte rechts die vermißte, vorhin hier um sie zu suchen verlaßene, Lichtputze fand und einen Dieb weniger in der Schöpfung zu suchen habe.) Wiesbaden – so wenig ich seine |3 Luft mag, so wenig vollends Eva sie länger athmen mochte - Wiesbaden oder vielmehr die Delaspée'sche Erziehungsanstalt darin ist der erste Ort, der nun schon Jahre lang ohne andern Beitrag als noch einige hiesige Privatstunden das Paar nährte und jetzt den Wittwer nährt und mit hundert Gulden und noch einigen wenigen drüber, dem Hungertod oder dem Verschuldungsgrab enthebt.Von Dieser Aussicht auf Forternährung und Enthebung stellte sich auf einmal vor wenigen Tagen die Androhung plötzlicher Auflösung des schon merklich verringerten Instituts in den Weg, von dessen Fortbestand in erwünschtem Frieden zwischen den beinahe hart an einander gekommenen Häuptern, seit heute Mittag und nun besonders seit diesem Abend wieder die Rede ist Nachricht mir zugekommen ist. Denn gestern ging ich nicht aus, sperrte mich sogar ein. Hätte ichs heute wieder so gemacht, so glaubte |4 ich noch, daß der heutige letzte September der letzte Tag meiner Verbindung mit dem Delaspée'schen Erziehungsinstitut wäre. So hat sich nun der Hieronymus besser gehalten und deutet auf ferneren Bestand. Lange bin ich aber nicht über 11 Uhr Abends auf geblieben wie eben.

Segne Dich Gott, mit allen den Deinen! mein Emanuel! —

1. Oktober 1826 Nachts

Auch dieser Tag läßt sich feiern; das ganze Jahr ist Jubeljahr. Was hab ich eben noch an die heute früh schon gewaschenen Füße gezogen in von meiner Frau bekommene Winterschuh? und was hält so warm? Deine Halbstrümpfe mit rothem E.

29. December 1826

Mein Alter! Daß ich Deinen 29. Nov. habe, muß noch her. Daß meines Bruders letzter v. 21. Juli , der gute Nachricht von allen den Seinen giebt, noch unbeantwortet liegt, darf ich denn das bekennen? Ein früherer vom März d. J. schildert jedes Kind besonders. Laß mich keine Gelegenheit versäumen, Dir ein Pack seiner u. andrer Briefe zu senden, u. sende Du selbst mit solcher sicheren Gelegenheit die Lübbener Briefe – Auch einige Leipziger , mein' ich, lägen noch bei Dir. Mein Gesundheitsstand – obwohl nicht schlimmer, doch gênant , läßt mich an kein Reisen denken. – Die Räthsel-Beilage hier

eben send' ich eine Abschrift an Wangenheim.
will Dich zum Eigenthümer, aber auch zum Mittheiler – sey es monatlich oder wöchentlich oder noch öfter – (etwa durch ein Israel'skind ?) einer (etwa durch dasselbe Israelskind) gemachten Abschrift. Nur darf Keiner den 1. April z. B. schon am 31. März bekommen.

Dein Paul Th.

Auszugsweise vielleicht ließen sich einige Richtersche Billets preisgeben?

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel Osmund. Wiesbaden, 30. September bis 29. Dezember 1826, Sonnabend bis Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1718


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

B: Von Emanuel Osmund an Paul Emile Thieriot, Bayreuth, 29. November 1826

Präsentat: Am 14ten Febr. 27. beantw. Auf S. 4 alR und aoR von Emanuel: Am 31t geschrieben u seine Sachen durch Fuhrmann geschickt.